Bullerbü brennt
GASTKOMMENTAR
Von Christina Repolust
03/06/13 Eine Schlagzeile erzählt von brennenden Vororten in Stockholm, eine andere vom Schließen der Schulbibliotheken in Salzburg. Das hat mehr miteinander zu tun, als man vorerst glauben möchte. Wer an der Bildung spart, zahlt für Gefängnisse. Wer Bibliotheken schließt oder aushungert, zerstört die Zukunft der Kinder und Jugendlichen und damit der Eltern der kommenden Generation.
Politikerinnen und Politiker mögen vordergründig keinen Einfluss darauf haben, wie Kinder in dem von ihnen regierten Land und auch Bundesland aufwachsen. Aber sie haben doch Einfluss darauf, wie viel Menschen über Ernährung, Bewegung und Bildung wissen. Wissen, wie sie sich ausgewogen ernähren, wie sie mit Freude Bewegung machen – reden wir doch nicht immer gleich vom Sport –, wie sie lesen, reden, einander erzählen, also gewandt Sprache verwenden.
Jeder Politiker und jede Politikerin hat auf kommunaler Ebene Einfluss darauf, wie gut dotiert die Öffentliche Bücherei ist: Sie wird als Treffpunkt wahrgenommen, Kindergruppen und -gärten nutzen das Angebot, Bücher werden vermittelt, d. h. vorgelesen, family literacy praktiziert. Jede Entscheidung im Gemeinderat und auch im Pfarrgemeinderat zugunsten der Öffentlichen Bibliothek ist eine Investition in Bildung und in Frieden.
Der Ex-Gouveneur von Kalifornien, Arnold Schwarzenegger, hat die Bildungsbudgets gekürzt, also Folge musste er die Budgets für Gefängnisse und Strafvollzug erhöhen. Wer bei Bildung spart, spart am falschen Platz.
Jede Schulbibliothek fördert Lesekompetenz und macht Lesen zu einem Erlebnis. In Österreich gibt die Wohnadresse des Kindes seine spätere Laufbahn vor. Daran hat sich leider noch immer sehr wenig geändert. Es könnte sich aber sofort etwas ändern: Investiert man weiter in die Öffentlichen Bibliotheken und gleichermaßen in die Schulbibliotheken, dann können Bildungsbiografien Veränderung erfahren: durch Lesen in der Gemeinschaft, mit Hilfe von Büchern, die unabhängig vom Bildungsgrad der Eltern zur Verfügung stehen.
Wer über die eigene Lesebiografie reflektiert, kommt immer zu einem besonderen Buch und einer besonderen Person, die dieses Buch vermittelte. Das kann auch eine Kalendergeschichte gewesen sein, das waren mitunter auch Bibelstellen: Aber jemand war da und hat einem etwas erzählt oder vorgelesen. Wenn in den Schulbibliotheken bzw. kombinierten Schul- und Öffentlichen Bibliotheken von Neukirchen über Bürmoos bis Strasswalchen mit Blick auf Faistenau und Fuschl am See – Beispiele nur! – Lesungen stattfinden, erleben dort die Schülerinnen und Schüler inszenierte Literatur. Wenn ihnen dann noch regelmäßig vorgelesen wird, dann steigt der Bezug zum Lesen.
Für jene Kinder, die mit gut ausgestatteten Privatbibliotheken und bibliophilen Eltern aufwachsen, sind diese demokratischen Zugänge übrigens auch sehr lehrreich: Vorlesen ist nämlich demokratisch, jeder und jede kann zuhören, es gibt hier weder Logen- noch Stehplätze.
Wer heute als Schulbibliothekarin arbeitet, macht das nicht aus finanziellen Gründen. Alle tun dies über das bezahlte Stundenmaß hinaus auch noch ehrenamtlich. Das sagen sie nur nie laut, das geht so still nebenher. Der überwiegende Teil der Bibliothekarinnen und Bibliothekare in Öffentlichen Bibliotheken ist vollständig ehrenamtlich tätig. Es macht ihnen Freude, aber warum wird etwas, was den Beteiligten Freude macht, wenig gewürdigt?
Ich hoffe doch, dass auch allen Politikern ihre Arbeit überwiegend Freude macht, Erfolgserlebnisse beschert. Auch deren Leistungen müssen gewürdigt und entsprechend entlohnt werden. Wie viel also schulden wir als Gesellschaft damit den Kindergärtnerinnen? Das sind Schulden, über die wir schon längst reden müssen.
Astrid Lindgren hat einst, als sie über 100 % Steuern zahlen musste, ein Märchen geschrieben, das hat eine Wahl doch recht entscheidend beeinflusst. Machen Sie, liebe Politikerinnen und Politiker, doch auch im Lesen die Welt so, wie sie uns gefällt: mit Schulbibliotheken, gerecht dotierten SchulbibliothekarInnen, mit Perspektiven für Öffentliche Bibliotheken und ebenfalls gerechter Bezahlung der Kindergärtnerinnen. Und all dem, was Sie ohnehin schon vorhatten.