Lieber ganz verderben, als halb lebendig sein
STIFTUNG MOZARTEUM / LIEDERABEND PRÉGARDIEN, DRAKE
20/05/16 Altersweise, ein klein wenig todessehnsüchtig – und zugleich erfüllt von der Erinnerung an eine Vergangenheit, aus der genug Lebensfunken geschlagen werden für einen mehr als „geruhsamen“ Lebensabend: Christoph Prégardien als Grandseigneur des Liedgesangs.
Von Heidemarie Klabacher
Entsagung und Überschwang. Todessehnsucht und Trotz. Liebesleid und Liebesfreud nicht zu vergessen. Und all das aus den wechselnden Perspektiven des „Alten“, der zurückblickt in die Jugend mit allen ihren Torheiten, oder eben des „Jungen“, der sich voraussehnt in eine Zeit, in der das alles einmal überstanden sein wird.
Christoph Prégardien und sein Klavierpartner Julius Drake haben mit Hilfe einer scheinbar zusammenhanglosen Folge großer Lieder ein gesungenes Lebens-Resümee präsentiert. „Totengräbers Heimwehe“ – ein viel zu selten gesungenes Lied – bekommt mit seiner himmelwärts blickenden Todessehnsucht etwas ganz und gar „Lebensnahes“, wenn es quasi auf einen einzigen Atem mit der frisch-fröhlichen „Fischerweise“ daherkommt.
Der auch diesem heiteren Liede innewohnenden Lebensphilosophie – „Er löst am frühen Morgen mit leichtem Sinn den Kahn“ – eignet in der Lesart von Christoph Prégardien eine geradezu schelmische Verführungskraft: „Doch wer sein Netz will stellen, braucht Augen klar und gut“ – und dieser Sänger denkt dabei sicher nicht an Forellen.
Vor der „Fischerweise“ entführten der Sänger und sein ebenso grandioser Klavierpartner in „Nacht und Träume“. Nicht so langsam gesungen, wie weiland von Leo Slezak (es gibt eine bewegende Aufnahme) aber auch nur unwesentlich schneller. Und vor allem mit jener technischen Souveränität, derer sich selbst seine größten Kollegen nicht immer sicher zu sein scheinen – und das Lied daher kaum einmal zu singen wagen.
Was auch gilt für „Du bist die Ruh, der Frieden mild“. Kommt gelegentlich mal als entgültig entrückende Zugabe außer Konkurrenz vor. Bei Prégardien erschloss sich eine direkte Linie zurück zum „Greisengesang“: Dort mahnt sich der alte Herr des Hauses selber: „Schleuß’ aus den rauen Odem der Wirklichkeit“. In „Du bis die Ruh“ heißt es dagegen „Kehr bei dir ein und schließe du still hinter Dir die Pforten zu“. Die Geborgenheit in einer perfekt konstruierten Einsamkeit und die Geborgenheit in einem „Du“ sind halt doch zwei Paar Schuhe.
Was soll man Schwärmen von der Leichtigkeit, mit der Christoph Prégardien die höchsten Höhen der – sauschweren – Lieder ansingt mit Linien, die bei aller Feinheit von technischer Souveränität zeugen.