Vom Dunkel zum Licht
CAMERATA SALZBURG / LELEUX
07/03/16 Scheinwerfer an oder Sonne auf? Beides! Das vierte Abo-Konzert der Camerata Salzburg war ein einziger großer Sonnenaufgang von Schostakowitsch bis Mozart. Dazwischen drehte man in Haydns Symphonie „Le Matin“ unter der Leitung des Oboisten und Dirigenten Francois Leleux kräftig am Lichtschalter.
Von Heidemarie Klabacher
Im Streichquartett c-Moll op. 110 erzählt Dmitrij Schostakowitsch von Krieg, Vertreibung und Vernichtung, von Tod und Trauer. Zitate aus eigenen Werken, klingende Ideologiekritik, machen op. 110 zur Bekenntnisschrift. Die Kammersymphonie c-Moll ist „nur“ die Orchestrierung des Streichquartettes. Am Freitag (4.3.) erklang im Camerata-Zyklus die Fassung des Russischen Dirigenten und Geigers Rudolf Barschai, die von Schostakowitsch unter op. 110a ins Werkverzeichnis aufgenommen wurde.
Die Camerata Salzburg spielte unter der Leitung des Dirigenten und Oboisten Francois Leleux so transparent und klar, so intensiv und fokussiert als säße nicht ein Kammerorchester sondern ein Streichquartett auf dem Podium.
Wie viele Schattierungen zwischen dunklen und weniger dunklen Streicherfarben! Wie bizarr irrlichternd die beängstigenden Tanz-Motive. Wie faszinierend der liegende Geigenton, der in den Pausen des Tumults immer wieder geisterhaft hörbar wird. Wie bewegend die leise schwebende Cello-Kantilene in hoher Lage… Eine überwältigende Wiedergabe des immer wieder überwältigenden Werks, ob in Gestalt des Streichquartetts oder der Kammersymphonie.
In der Passacaglia concertante für Oboe und Streichorchester von Sándor Veress spielte Francois Leleux den Solopart, vernachlässigte dennoch nicht seine „Dirigierverpflichtung“. Er gestaltete auch die Passacaglia mit fein schattierten klanglichen und vor allem rhythmischen Farben und Eigenwilligkeiten – und machte so die Langatmigkeiten der langsamen Passagen vergessen. Umso markanter gestaltete Leleux seinen Solopart etwa im bockig-rhythmischen zweiten Satz, und forderte die Camerata immer wieder heraus zum beängstigenden Reigen. Auch unter diesem Werk liegen Erinnerungen an Flucht und Exil.
Als ob sie in der Pause alle miteinander in prächtig bunte Barockkostüme geschlüpft wären – so spielten die Musikerinnen und Musiker der Camerata Salzburg Joseph Haydns Symphonie D-Dur Hob. I:6. Die vielen Instrumentalsoli machen aus „Le Matin“ ja fast ein Concerto grosso. Mit einem Instrumentalsolisten als klangrednerisch versiertem Leiter wird dieser Eindruck noch verstärkt. Daher wird auch das neckisch spazieren geführte „barocke“ Klangkostüm getragen von technischer Virtuosität und spielerisch verspielter Phrasierung von mitreißendem Witz.
Wenn so gespielt wird und ein Virtuose wie Francois Leleux auf der Oboe die Melodien übernimmt, ist man gerne bereit, in einem Potpourri „Schönster Mozartarien“ auch einmal auf die Singstimmen zu verzichten. Ohne über gepresste Töne in hohen Lagen oder mangelnden Lagenausgleich mäkeln zu müssen, darf man sich einfach freuen über vollendete Musik in vollendeter Wiedergabe. Während die Baritone ihre Artikulationsfähigkeit ja doch oft überschätzen und Don Giovannis „Fin ch’han dal vino“ nur noch text- und atemlos nachhasten können, phrasieren und artikulieren Francois Leleux und seine Oboe mit spielerischer Leichtigkeit im rasendsten Tempo.
Dabei missbraucht der Erzmusikant die kostbaren Arien von Papageno oder Tamino, von Don Givoanni oder Donna Anna keineswegs als Vehikel des Virtuosen zum gefälligen Brillieren. In seinen eigenen Arrangements, etwa in „Der Vogelfänger bin ich ja“, folgt auf die Exposition der Melodie eine eigenständige mitreißend virtuose Variation. In Don Giovannis Canzonetta umrankt die Oboe mit feinsten Ranken die Melodie, die sie ans Cello abgetreten hat, während zuvor die Geigen arco und pizzicato die Melodie der Solooboe umschmeichelt haben…
War dieses wunderbare Konzert schon mit Haydn im strahlenden Licht angekommen, setzten die Musikerinnen und Musiker mit Mozart noch Glanzpunkte purer prickelnder Freude.