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Im Auge des Taifuns

STIFTUNG MOZARTEUM / ARCANTO QUARTETT

02/03/16 Es heult der Sturm, es peitscht der Regen. Draußen. Drinnen herrscht Stille, zum Zerreißen gespannt… So muss es sein im Auge des Taifuns. Und so klingt es, wenn das Arcanto Quartett ruhelose und aufwühlende Allegro-Sätze von Schubert und Beethoven spielt.

Von Heidemarie Klabacher

Ruhevolle Andante-Sätze in der Interpretation des Arcanto Quartetts wirken genau umgekehrt: Da ist die gespannte Ruhe draußen und die Elemente toben im Inneren.

Schubert Quartettsatz c-Moll. Beethoven Streichquartett C-Dur op. 59/3. Und dann noch einmal Schubert, das Streichquartett G-Dur op. post. 161 - D 887: Das waren die Stationen des Weges, auf dem das Arcanto Quartett am Dienstag (1.3.) das Publikum aus dem Großen Saal herausgeführt hat und hinab in immer neu ausgeleuchtete, immer beunruhigendere Tiefenschichten.

Dabei ist das Ganze mit allergrößtem Understatement passiert. Sturm und Gewitter, aber auch die (meist trügerischen) Augenblicke von Heiterkeit und Frieden, kamen ganz selbstverständlich in der Phrasierung daher. Säuseln oder Brausen der Lüfte passierten auf den gleichen großen ruhigen Atemzügen, scheinbar ohne „gesetzte“ Akzente, die interessant sein wollen und doch nur den Fluss stören.

Schier vollkommene Einheit bei größter Vielfalt: Das gilt nicht nur für die Agogik, sondern auch für Klangfarbe und Lautstärke. Unendlich viele Schattierungen von Sepia hat das Arcanto Quartett auf der Klangpalette. Die Lautstärke regeln Antje Weithaas, Daniel Sepec, Tabea Zimmermann und Jean-Guihen Queyras über die Intensität. War es irgendwann einmal an diesem Abend „lauter“ oder „leiser“? Schwer zu sagen. Den Atem angehalten hat man jedenfalls immer wieder bei diesem singulären Kammerkonzert.

Schon vor 14 Jahren – anno 2002 – haben sich die vier Künstler - jeder und jede ein international gefeierter Solist und namhafter Pädagoge - zum Arcanto Quartett zusammengeschlossen. Ist in dieser Formation das Cello von Jean-Guihen Queyras der Stimmführer? Oder doch die Viola von Tabea Zimmermann? Die Geigen von Antje Weithaas, Daniel Sepec setzten „naturgemäß“ Glanzpunkte, stechen aber nie hervor. Antje Weithaas ist ohnehin das Urbild einer primaria inter pares.

Schubert und Beethoven und das Arcanto Quartett! Wie nah verwandt Schuberts letztes Streichquartett (aus 1826) und Beethovens drittes Rasumowsky-Quartett (aus 1806) plötzlich mit einander sind! Nehmen die früheren Sätze Beethovens die späteren Schuberts vorweg? Oder reflektiert Schubert Meister Beethoven? Von Schuberts „Wanderungen“ am Abgrund der Seele ist in Kritiken ständig die Rede. Das ebenso treffende wie abgegriffene Bild meint meist die Lied-Miniatur. Es gilt aber genau so für das monumentale Streichquartett G-Dur op. post. 161 - D 887. Wie das Arcanto Quartett die Motive immer wieder als Schatten ihrer selbst wiederkehren lässt – blutig geschlagen, aber tapfer sich dem nächsten Schlag stellend – das war atemberaubend. Wie Weithaas, Sepec, Zimmermann und Queyras in der größten Dramatik bei allem vorwärtsdrängendem Drive Räume zum Atmen sich öffnen lassen – das war überwältigend.

Bild: karstenwittmusicmanagement / MarcoBorggreve

 

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