Auf der Suche nach dem Wunderbaren
VEREIN DER FREUNDE DES MOZARTEUMORCHESTERS
24/11/15 Im zweiten Konzert des Zyklus „Tatort Kammermusik“ spürten fünf Musikerinnen und Musiker des Mozarteumorchesters mit akribischen Mitteln zwei in unseren Breiten unbekannten Komponisten nach: Arnold Bax und Jean Cras – zwei musikalische Triebtäter ungeahnter Originalität.
Von Stefan Reitbauer
Wenn man schon Zeuge eines Konzerts aus dem Zyklus mit dem ausgefallenen Titel „Tatort Kammermusik“ wird, scheint die Frage berechtigt, was denn nun die Zutaten einer solchen Episode sein könnten. Recherchen, Indizien, ein oder mehrere Motive, geradezu lustvolle Überzeugungstäter, ungewöhnliche Lebensgeschichten und eine überschaubare Anzahl an Augen- und Ohrenzeugen. Und tatsächlich, der private Rahmen des Yamaha-Saals im Orchesterhaus bietet alle diese Facetten und so manches mehr.
Eindringliche und authentisch begeisterte einführende Worte von Gottfried Franz Kasparek stehen am Beginn und bieten die wohltuende Grundlage für den folgenden Abend.
Und trotzdem fällt man dann unvermittelt hinein in die Klangwelt des Arnold Bax (1883-1953), einem großen Verehrer von Jean Sibelius. Das lässt sich bereits bei der „Sonate für Flöte und Harfe“ nicht verleugnen. Doris Rehm (Harfe) und Ingrid Hasse (Flöte) geben sich den meditativen Stimmungen der ersten beiden Sätze hin. Die Vorliebe für Irland, die Bax Zeit seines Lebens auch musikalisch begleitet, verbreitet sich in sanften Schwingungen und Anklängen gälischer Volkslieder. Ingrid Hasse schwelgt ganzkörperlich – selbst die Kleidung schwingt in Form und Farbe – etwa in „Down by the Sally Gardens“.
Jede Musikerin tanzt im schwungvollen letzten Satz für sich, doch nie verlässt eine der beiden die schemenhaften Grenzen der Tanzfläche, feine Schnüre scheinen sie zu verbinden. Kammermusikalische Erfahrung und großes musikalisches Können ermöglichen ein tatsächlich wunderbares Klangerlebnis. Marcus Pouget versucht sich im Anschluss an der „Rhapsodic Ballad for solo cello“. Und er meistert die technischen Herausforderungen ganz hervorragend. Man lässt sich gerne hineinfallen in das Wogen der Gefühle, zwischen Himmelhochjauchzend und resignativem Trauern. Marcus Pouget gelingt eine sympathisch bescheidene und gefühlvolle Interpretation.
Nun erlebt das Publikum, gebannt im intimen und konzentrierten Rahmen, erstmals eine Kostprobe der Komponierkunst des Franzosen Jean Cras. Im Brotberuf ein Marineoffizier, privat ein Freund der Musik von Claude Debussy – beides lässt sich nicht wirklich leugnen. Natürlich bedarf es einiger Phantasie, um sich vorzustellen, wie Cras im wildesten Seesturm anno 1926 sein Streichtrio komponieret hat... Angeblich sollen die Weltmeere tatsächlich sein bevorzugter Kompositionsort gewesen sein.
Kraftvolle bretonische Volksmusik, lyrische Anklänge, wilde Tänze – all das entlocken Marcus Pouget, Rudi Hollinetz (Violine) und Barnaba Poprawski (Viola) den so selten gespielten Notenblättern. Wenn sie vielleicht auch ihren Kolleginnen in deren rhythmisch-gefühlvollen Eintracht nicht ganz folgen können, so begibt sich doch ein höchst zufriedenes Publikum in die Pause.
Arnold Bax´ „Elegiac Trio für Flöte, Viola und Harfe“ steht seinem großen Bruder von Claude Debussy in nichts nach. Bax räumt insbesondere der Harfe viel Raum ein, überlässt ihr die Führung in diesem bodenlosen Tal an Trauer und Klage. Berührend schön.
Zum abschließenden Höhepunkt schwingt sich schließlich das „Quintett für Harfe, Flöte, Violine, Viola und Cello“ aus der jederzeit originellen Feder von Jean Cras auf. Mitreißend, lustvoll, ausdrucksstark – ein Stück Musik, dass man sich auf der Stelle noch einmal anhören möchte.
Überzeugende und in ihrem großen Können ausgesprochen sympathisch musizierende Solisten eröffneten für zwei Stunden den Blick in eine ungewöhnliche, weil unbekannte musikalische Welt. Man sollte sich weitere Erkundungsreisen und Spurensuchen dieses Konzertzyklus´ nicht entgehen lassen. Wer weiß, welch wunderbare Musik hinter der nächsten Ecke lauert…