asdf
 

Zwischen Ohrwurm und Fremdartigkeit

KULTURVEREINIGUNG / LAHTI SYMPHONY ORCHESTRA

27/10/15 Eine Solistin, die nicht bloß allein im Beifall badet, sondern sich für die Zugabe Assistenz aus dem Orchester angelt: die Konzertmeisterin und den Stimmführer des Lahti Symphony Orchestra für eine zeitgenössische Geigen-Pretiose.

Von Reinhard Kriechbaum

Mit den beiden im Bunde also hat Elina Vähälä am Freitag (23.10.) im Großen Festspielhaus ein rhythmisch reißerisches und zugleich poetisches kleines Stück für drei Violinen hören lassen, das obendrein erst vor einem Monat geschrieben wurde: Jaakko Kuusisto heißt der Komponist. So vernetzt und reisefreudig die Klassik-Welt ist – so etwas bekommt man nur selten in die Ohren. Übrigens: Das Erste Violinkonzert von Max Bruch, so sehr es auch Gassenhauer ist, kommt einem auf dem Konzertpodium eigentlich auch nicht so oft unter. Es ist, als ob sich Interpreten eigentlich schämen für den Reißer.

Elina Vähälä musste sich ganz und gar nicht schämen dafür. Mit wenig Vibrato und doch mit der gebotenen tonlichen Grandezza hat sie sich mitsamt ihrer feinen Stradivari hineingestürzt in den satten Melodienreigen dieses Konzerts, hat sie dynamisch großzügig und effizient all jene Höhepunkte angesteuert, die im Bruch-Konzert ja dann doch das Orchester so nachhaltig hinausposaunt. Der Dirigent Okko Kamu wusste das in Nordeuropa hoch gehandelte Ensemble aber auch in Zaum zu halten, wenn es galt, quasi die beruhigenden Schatten dem effektsicheren Solopart hinterher tänzeln zu lassen.

Manche Musik hat es ganz leicht – und andere ganz furchtbar schwer: Auch darüber durfte man nachdenken im Vergleich des Bruch-Konzerts mit Jean Sibelius' eigenartiger Tondichtung „En Saga“. Irgendwie ist es sperriges Material, wenn auch andauernd eingängige Melodien aufflackern. Die fahlen Streicher-Arpeggi am Beginn lassen ebenso aufhorchen wie manche in der Instrumentation delikat abgemischte Klangfarbe, die finnische Volksmusik etwas gekünstelt stilisierenden ungewohnten Rhythmen – all das offenbart sich dem staunenden Mitteleuropäer als eine durchwachsene Mischung aus Eigenbrötlerei und Ohrwurm.

Das hoch disziplinierte Orchester aus der kleinen finnischen Stadt Lahti ist allemal gut für eine Sibelius-Blütenlese im Gedenkjahr heuer (150. Geburtstag am 8. Dezember). Die dritte Symphonie ist etwas ziemlich Bukolisches – jedenfalls für Sibelius-Verhältnisse, der sein Publikum in diese Richtung ja nicht gerade verwöhnt hat. Der Mittelsatz ist besonders einnehmend, weil der im Grunde durchgehend tänzerische Sechsachteltakt und die dann doch melancholisch sich wälzenden Melodien sich eigentlich widersprechen. Das bietet viel Möglichkeit zu sorgsamem Lavieren zwischen den Stimmungen – und diese Chance ließen sich weder der Dirigent noch das Orchester entgehen. Interessant übrigens auch der Finalsatz, der anhebt wie ein dickes Wagner-Wörterbuch. Und dann ist doch ein Kraut gewachsen gegen den damals Allmächtigen: Ein Riesenfugato in ameisen-emsig krabbelndem Kontrapunkt. 1907 ist die „Dritte“ uraufgeführt worden, man hört ihr an, dass sich ein wenig von der jugendstiligen Zeitstimmung damals auch bis Finnland durchgesprochen hatte.

Auf die mit dreißig Minuten für Sibelius-Maßstäbe ultrakurze Symphonie gab als Zugabe süffige Kostproben aus Schauspielmusiken des finnischen Altmeisters: Die Musette aus der „Kung Christian II“-Suite und einen Ausschnitt aus seiner Musik zu Maeterlincks „Pelleas et Melisande“.

Bilder: www.elinavahala.com(1); Salzburger Kulturvereinigung (1)

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014