Von Polen bis Ungarn
STIFTUNG MOZARTEUM / PHILHARMONISCHES ENSEMBLE WIEN
09/06/15 „Vienna á la carte“: Zum Abschluss des Kammermusikzyklus „Wien- Berlin“ debütierte das Philharmonische Ensemble Wien am Sonntag (7.6.) bei der Stiftung. Vor zwei Jahren gegründet, heuer „Pausenfüller“ im Neujahrskonzert, inzwischen international bekannt, gab die Formation ein begeisterndes Konzert im Großen statt im Wiener Saal.
Von Horst Reischenböck
Es war eine kluge Entscheidung, vom sommerlich aufgeheizten Wiener Saal in den Großen Saal des Mozarteums auszuweichen. Nicht nur wegen der dortigen Klimaanlage. Sondern vor allem, weil die drei Streicher Shkëlzen Doli, Violine, Holger Groh, Viola und Sebastian Bru, Violoncello, aus den Reihen der Wiener Philharmoniker - zu denen sich im weiteren Verlauf der Pianist Gottlieb Wallisch gesellte - schon vom Beginn an aus ihren Herzen keine Mördergrube gewillt zu machen waren und eine überwältigende Klangfülle vom Podium sandten. Diese konnte sich im Großen Saal natürlich optimal ausbreiteten.
Die Serenade D-Dur op. 8 ist Ludwig van Beethovens letzten Beitrag zur Gattung Streichtrio, beste Unterhaltungsmusik hoher Qualität in raffinierte orchestrale Fülle verpackt. Das begann mit dem bestimmt artikulierten Marsch, nach dem sich Geige und Bratsche im Duett in einer ersten Romanze über dem Pizzikato des Cellos verströmten. Nach einem vehement artikulierten, solcherart kaum mehr tanzbaren, Menuett ging es genauso aufgeräumt in ein witzig viriles Scherzo, typisch für Beethoven, wie er es bis ins letzte Streichquartett hinein artikulieren sollte. Gedankliche Verbindungslinien zu späterem Schaffen wie dem Finale des gleichfalls eher unterhaltenden Tripelkonzerts bot dann das rhythmisch pulsierende Allegretto alla Polacca, ehe der Variationensatz vor der Wiederholung des Marsches nochmals musikalisch eindeutig auf Humor baute.
Zur Originalbesetzung des Philharmonischen Ensembles Wien als Klavierquartett setzte sich danach Gottlieb Wallisch an den Bösendorfer. Leise schlich er sich in Gustav Mahlers Einzelsatz für Streicher, dem aus der Jugend stammenden Quartettsatz in a-Moll, um dann in kollegialem Einverständnis mit seinen Partnern dessen innewohnende Wellen an dramatischen Akzenten akustisch aufzuschlüsseln. Perfekt dynamisch ausgewogen.
Der Höhepunkt war dennoch Johannes Brahms’ Quartett g-Moll op. 25/1. Diesem Werk hat Arnold Schönberg, für den Brahms ein Säulenheiliger war, im amerikanischen Exil 1937 eine Orchesterfassung verpasst und es scherzhaft als dessen „Fünfte“ bezeichnet. Schönbergs Argument, Brahms werde wenig und zudem schlecht gespielt, weil meist der Pianist die Streicher zudecke, widerlegte das Philharmonische Ensemble Wien eindeutig im Aufschlüsseln der vielschichtig diffizil verflochtenen Motive, im gehaltvoll abgehobenen Schweben des Intermezzos und in dem ins Andante drohend eingebundenen auflehnendem Marsch.
Wie Schönberg, bei allem instrumentaler Meisterschaft, heute ad absurdum geführt werden kann, bewies dann das Rondo alla Zingharese – virtuos in fast aberwitzigem Tempo gespielt von den vier Herren. Brahms voll überbordendem Temperament! Temperamentvoll wie die Ungarischen Tänze. Deren selten zu hörende Nr. 17 fis-Moll – für das Ensemble arrangiert von Michael Abranovich – war die heftig akklamierte Zugabe.