Hoch-Zeit für Johannes
BACHGESELLSCHAFT / UNI MOZARTEUM / JOHANNESPASSION
02/04/15 Wer, wenn nicht die Gesellschaft mit seinem Siegel, sollte sich hier in Salzburg um das Schaffen des Thomaskantors kümmern? Für eine beeindruckende Aufführung der Passio secundum Johannem BWV 245 in ihrer vollständigen Fassung von 1724 in der Großen Aula der Universität hat man auch Spezialisten von der Universität Mozarteum und Gäste aus England herangezogen.
Von Horst Reischenböck
So musizierten am Mittwoch der Karwoche (1.4.) das Barockorchester der Universität Mozarteum, erweitert um das Royal College of Music London, mit dem Collegium Vocale der Bachgesellschaft, dirigiert von Vittorio Ghielmi. Eine Aufführung ohne Konzertpause. Stattdessen gab es, entsprechend der evangelischen Gepflogenheit, zwischen beiden Teilen eine kurze Predigt, ausgerichtet auf die Fußwaschung.
Johann Sebastian Bach versicherte sich dazumal wohl bewusst nach dem Einstand in Leipzig vorerst seines Evangelisten-Namensvetters und setzte damit ihm wie sich ein, auf seine Weise, grandioses Denkmal. Die Johannespassion ist behaftet mit dem Nachteil der späten „Wiedergeburt“, sie wurde im 19. Jahrhundert erst Jahre nach der „Wiedererweckung“ der des umfangreicheren Schwesterwerks nach Matthäus wieder vorgestellt. Das hat immer wieder zu abschlägigen, in Wirklichkeit nicht zu begründenden Vergleichen führt. So konnte man im Programmheft lesen, ob der kurzen Entstehungszeit des Werks sei „eine vorausschauende Planung unwahrscheinlich“. Eher werde Bach „am Text entlang komponiert haben“. Er, nicht zuletzt Zahlenmystiker, ohne inneres Konzept? Eine dieser Passionsmusik zugrunde liegend formal strenge Symmetrie der um den Choral „Durch dein Gefängnis“ kreisenden Bogenform wies schon 1926 Friedrich Smend eindeutig nach.
Dirigent Vittorio Ghielmi, Professor am Mozarteum, war sich der Schlüssigkeit des dramatischen Anspruchs voll bewusst und dem Werk Schritt für Schritt ein beredter Sachwalter. Vom aufrüttelnden instrumentalen Auftakt im Chor „Herr, unser Herrscher“ mit seinen, im Originalklangbild noch geschärfter wirkenden dissonanten Querständen bis zum prononciert hervorgekehrten Appell am Ende des Ganzen: „Herr Jesu Christ, erhöre mich …!“ Perfekt artikuliert haben das die von Albert Hartinger einstudierten 22 Damen und Herren des Collegium Vocale, die auch dem Geflecht der Erregung des Volks in den Turbae-Chören Raum verschafften. Aus dieser Sängerschar rekrutierten sich auch Magd und Diener.
Innerhalb des Quintetts an Vokalsolisten stellte Mozarteums-Absolvent Alexander Hüttner als Evangelist einen Glücksfall dar. Mit gelegentlich leicht metallischem Aplomb verlieh er derErzählung der Leidensgeschichte stimmgewaltig nachdrückliche Wirkung. Im Vergleich dazu verhielt sich Tenor-Kollege Aco Alexander Bišćević aus Slowenien in seinen ariosen Auftritten eine Spur zurückhaltender. Erstklassig auch der Kontrast beider Basspartien. Der gebürtige Russe Alexander Voronov (man konnte ihn heuer bereits in Monteverdis „Krönung der Poppea“ im Mozarteum kennen lernen) war der junge Jesus. Geschmeidig seine ariose Aufforderung „Eilt … nach Golgatha!“ Der tief orgelnde Gegenspieler Pilatus war Matthias Azesberger, dem auch die Arie „Mein teurer Heiland“ nach Jesu Tod anvertraut war.
Die Sopranistin Maria Elisabeth Sascha beeindruckte mit glockenhellem Sopran, während Altistin Katrin Lena Heles vorerst durch die stehend spielenden Oboen behindert wurde und sich erst in der berührenden Tragik des „Es ist vollbracht“, von Ghielmi an der Viola da Gamba assistiert, voll hingeben konnte.