Das Leben ist bunt und ohne Netz
WIENER SAAL / KAMMERKONZERT
25/03/15 Rameau, Haydn, Ravel, Beethoven – auf einer musikalischen Reise durch die Epochen bewiesen drei Vollblutmusiker ihre Wandlungsfähigkeit: Kit Armstrong (Klavier), Andrej Bielow (Violine) und Adrian Brendel (Cello) fesselten als Klaviertrio am Dienstag (24.3.) bei der Stiftung im Wiener Saal.
Von Christiane Keckeis
Genau gearbeitet, ohne leere Phrasen, mit sprühender Vitalität und emotionaler Leidenschaft musiziert das feste Ensemble und lässt kein Abschweifen im Publikum zu: eine unerwartete Wendung, ein Spannungsbogen, ein Aufbäumen, ein Scherz. Sie spielen ohne Sicherheitskalkül, volles Risiko, da geht auch einmal etwas daneben, ein bisschen ungenaue Intonation, nicht ganz ausbalanciertes Gleichgewicht, Kleinigkeiten, die nicht stören angesichts der Lebendigkeit der Musik. Leben ist bunt und ohne Netz.
Haydns Trio in C-Dur steht für die Heiterkeit, der Schalk blitzt den Musikern aus den Augen, kraftvoll und energisch beginnt der erste Satz, die Motive hüpfen zwischen den Instrumenten hin und her, unerwartete Akzente, humorvolle Phrasierungen ganz im Sinne des Komponisten, die überschäumende Lebendigkeit wechselt mit sensiblen Feinheiten. Kit Armstrong spielt gewohnt brillant und entlockt dem Flügel Farben, die Streicher, dynamisch gelegentlich unterlegen, strotzen vor Energie und Spritzigkeit.
In eine völlig andere Welt mit allen Facetten zwischen Traum und Aufruhr entführen die Musiker mit Ravels Trio a-moll: ein faszinierendes Farbenspiel zieht sich durch alle drei Instrumente, Andrej Bielow verblüfft schon zu Beginn mit gänzlich neuem Ton, dünne klagende Phrasen wechseln mit Brillanz oder dunkel gefärbter Leere, Adrian Brendels Cello zieht durchsichtige, fragile Linien, weint mit klagendem Gesang, wird aggressiv und angriffslustig, um wieder mit Schmelz in ein warmes Gefühl einzutauchen. Kit Armstrongs Meisterschaft macht aus dem Klavier ein singendes Instrument, er phrasiert wunderbar bewusst, reizt mit den Kollegen die Dynamik bis ins Fortissimo aus, zieht Spannungsbögen. Emotion und Stimmung fangen die Zuhörenden ein, kein Husten, kein Sitzrücken, nur Gebanntheit.
Rameaus „Pièces de cavecin en concerts“ sind charaktervolle barocke Pretiosen für die Triobesetzung. Nach der wunderbaren Verschmelzung in Ravels Trio ist nun Feinheit und Durchsichtigkeit gefragt, was nur teilweise gelingt. Andrej Bielow besticht mit gezogenen Violinfäden, einmal klar, einmal scharf, einmal fein, Adrian Brendel verzichtet leider weniger auf das Vibrato, im Miteinander ist die Polyphonie gelegentlich kaum nachzuverfolgen, Kit Armstrong ist oft zu dominant – es stellt sich die Frage, ob das ursprünglich für Cembalo geschriebene Werk am Flügel gut aufgehoben ist. Nichtsdestotrotz schildern die drei Musiker in den drei Sätzen (La Forqueray, La Cupis, La Marais) eindrucksvoll drei sehr unterschiedliche Charaktere.
Bei Beethovens frühem Trio op.1, Nr. 2 kennt die Lust an der Gestaltung keine Grenzen, ohne dass es zu unangenehmer Übertreibung käme. Wie aus einem Guss, selbstverständlich geformt, erscheinen die einzelnen Sätze in der vitalen Interpretation der drei Musiker. Und wieviel Spaß die beim Spielen haben: Das steckt auch beim Zuschauen und -hören an. Begeisterter Applaus wird belohnt mit einer Zugabe, die noch einmal alles zusammenfasst, was den Abend ausgemacht hat: Lebendigkeit, Witz, Spielfreude, die sich nahtlos überträgt.