Aus vollem Halse schrei’n
MOZARTEUMORCHESTER / DIE JAHRESZEITEN
20/09/13 „Und juhhe, juhhe, juhhe! Aus vollem Halse schrei’n“ heißt es im „Herbst“ von Joseph Haydns „Jahreszeiten“. Und das ist auch schon fast alles, was es über die Wiedergabe des Mozarteumorchesters unter der Leitung von Trevor Pinnock zu sagen gibt.
Von Heidemarie Klabacher
Zwischen „laut“ und „sehr laut“ ließ Trevor Pinnock das Mozarteumorchester und den Salzburger Bachchor durch diese „Jahreszeiten“ toben. Von beiden ist man wahrlich andere Töne gewöhnt, facettenreichere. Was nicht heißen soll, dass nicht unzählige fein musizierte Details den Tumult interpunktiert hätten,
Das begann mit dem feingliedrigen Solo der Piccoloflöte über der ersten Arie „Schon eilet froh der Ackermann“, die vom Bariton Florian Boesch mit eleganter Wendigkeit gesungen, von Trevor Pinnock aber als Holzschuhtanz von der deftigern Sorte unterlegt worden war.
Joseph Haydn scheint mit Oboen-Froschgquake oder Kontrafagott-Gefurz, mit Tamburin, Dudelsack und Triangel – also mit allen Mitteln - gegen den unsäglich biedersinnigen Quatsch im Libretto von Gottfried van Swieten ankomponiert zu haben. Trevor Pinnock hat sich aber ganz auf die Seite des Librettisten geschlagen. Er hat Haydns subtile Ironie ignoriert, hat farbkräftige musikalische Genreszenen à la Waldmüller entstehen lassen, die Farbe freilich à la Nitsch mit dem Eimer aufgetragen.
„Außen blank und innen rein, muss des Mädchens Busen sein“ – muss man solches Gewäsch wirklich mit so schunkelnder Naivität trällern lassen? Kein Vorwurf an den Chor, bitte! Der Salzburger Bachchor hat wie immer textdeutlich deklamiert, war auch im Dauerforte homogen im Gesamtklang, während die Linien in allen Stimmen klar und transparent über die Lagen geführt wurden.
Lautstärke ist schon wichtig, wenn es gilt, Gott zu rühmen. Wenn Lautstärke allerdings zur einzigen Kategorie des Lobreises wird, unterschätzt man den Allerhöchsten, der selber ebenso gerne im Windsäuseln, wie im Sturmgebraus dahergekommen ist. Im Großen Saal hat der Lärm des ersten Lobgesanges jedenfalls dazu geführt, dass kaum mehr Steigerungen möglich waren. - Etwa für das grandiose Gewitter (Hat nun eigentlich Beethoven in der Pastorale oder Haydn in den Jahreszeiten das bessere Gewitter komponiert?), das mit gefährlichem Grollen der allergrößten Trommel und virtuosen Paukenschlägen ein wirkliches Erlebnis war. Hätte natürlich noch viel imposanter gewirkt, wäre nicht schon im „Freudenlied“ im Frühlingsfinale so viel Pulver verschossen worden. Selbst der grandiose, als spannungsvolles Crescendo von Trevor Pinnock durchaus subtil aufgebaute Sommer-Sonnenaufgang, war ein wenig seiner Wirkung beraubt. Der Lautstärkenpegel war einfach von Anfang zu hoch.
„Oh Fleiß, oh edler Fleiß, von dir kommt alles Heil.“ Mag sein. Bekommt man die bekannten – und natürlich geliebten – Banalitäten mit solch distanzloser Inbrunst vorgesetzt, suchte man sein Heil fast lieber in der Flucht.
In den leiseren Nummern, etwa im Duett von Hanne und Lukas, die im Herbst als Paar zueinander finden, war das Orchester ebenfalls immer wieder tendenziell zu laut. Was das hervorragende Solistenterzett aber nicht dazu verführt hat, mit Lautstärke auf Lautstärke zu reagieren. Werner Güra sang den Tenorpart des Lukas, textdeutlich, stimmlich wendig, strahlend klar und locker auch in den hohen Lagen. Mitreißend dramatisch gestaltet war die Arie des im „Winter“ herumirrenden Wanderers „Hier steht der Wand’rer nun, verwirrt und zweifelhaft“.
Marlis Petersen sang den Sopranpart der Hanne, technisch souverän, klanglich überzeugend, vielleicht mit etwas zu viel Spannung auf der Stimme – was aber durchaus auf Rechnung der Lautstärke gehen kann: In der Cavatine „Licht und Leben sind geschwächet“ im „Winter“ schien die Spannung zu weichen, eine warme runde und facettenreiche Sopranstimme konnte sich plötzlich entfalten.
Den Baritonpart des Simon sang Florian Bösch – und er hat als einziger die Ironie in Haydns Komposition zu würdigen und zu vermitteln gewusst: Der Barion muss ja „das fette Rind“ zurück in den Stall geleiten, „gesättigt und erfrischt“, und aus dem Sumpfe den Forsch quaken, oder – ein paar Nummern weiter schon im „Herbst“ - den „jungen Bau’rn“ Nüsse auf das Liebchen werfen lassen: Florian Boesch macht das mit leichtester duftigster Deklamation. Und wenn er davon singt, wie der Landmann willig der Jagd frönt, „die seinen guten Herrn ergötzt“ meint man mehr als einen ironischen Unterton zu hören. Wohltuend – ganz abgesehen vor der reich timbrierten souverän geführten Stimme. Zur Ruhe, fast zum Erliegen kam die Welt in der Arie des Simon „Erblicke hier betörter Mensch, erblicke Deines Lebens Bild“: Hier kam die Ruhe und Qualität eines Liederabends in den Tumult – wie zuvor auch mit der bereits erwähnten Tenorarie des verirrten Wanderers.
Dann Schlusschor mit Doppelfuge und xfach-Forte. Dann Amen. Dann donnernder Applaus. Pauken und Trompeten und Pinnock nix dagegen.