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Grenzüberschreitung als Leitmotiv

HINTERGRUND / DIALOGE

29/11/11 Lebende Komponisten, Choreographinnen, Sho-Spieler. Performance, Film, Bildende Kunst - das hat es bei der traditionsreichen „Stiftung Mozarteum“ nicht gegeben - bis Stephan Pauly die Mozartwoche umgekrempelt und 2005 das Festival „Dialoge“ gestartet hat.

Von Heidemarie Klabacher

Und jetzt sind es Paulys letzte „Dialoge“. Von 30. November bis 4. Dezember zieht der scheidende Geschäftsführer und künstlerische Leiter der „Stiftung“ Resümee. Die Dezember-Dialoge 2011 sind die vierzehnten und letzten, die von Stephan Pauly zusammen mit Berno Odo Polzer programmiert wurden und fassen die Grundgedanken der letzten sechs Jahre zusammen: „Komponisten unserer Zeit spielen in den ‚Dialogen’ eine wichtige Rolle – als Verfasser von neuen Stücken, aber vor allem auch als Partner beim Programmieren des Festivals“, so Stephan Pauly. „George Aperghis gehört zu ihnen. Beim Eröffnungskonzert steht mit ‚Dark Side’ für Mezzosopran und 18 Instrumente eines seiner Meisterwerke auf dem Programm.“

Die Gesänge auf Texte aus der Orestie von Aischylos interpretiert Salome Kramer, deren Name sich geradezu leitmotivisch durch die Dialoge-Programme zieht. Allein im großen Dialoge Buch der Stiftung - Ja, ein solches ist 2009 im Bärenreiter-Verlag erschienen und reflektiert die Festivals 2005 bis 2009 - finden sich sieben Verweise auf die Mezzo-Sopranistin.

Das zeitgenössische Werk tritt - wie so oft in der Dialoge-Dramaturgie - auch beim Eröffnungskonzert am Mittwoch (30.11.) in Dialog mit einem Monument aus dem klassischen Repertoire: Das Hagen Quartett, ohne dessen hellsichtige Interpretationen die Dialoge ebenfalls nicht zu denken wären, spielt Ludwig van Beethovens Streichquartett cis-Moll op. 131.

Danach spielt Wolfgang Mitterer noch „Volumina“ von György Ligeti für Orgel solo. Die neue Orgel im Großen Saal erlaubt solche Repertoire-Exkurse: „Alles wahre Gebirgsmassive aus Musik, aus unterschiedlichsten Landschaften, in direkter Begegnung - und interpretiert von Künstlern, die zu den zentralen Gästen der ‚Dialoge’ zählen“, schwärmt Stephan Pauly.

Er vermerkt in seinem „Essay zum künstlerischen Profil der Dialoge“: „Der klassische Musikbetrieb tendiert dazu, die lebendige Pflege der traditionellen europäischen Kunstmusik in der Variation ihrer Interpretationen zu suchen und das Bekannte in Gestalt eines relativ kleinen Kanons musikalischer Werke zu wiederholen.“ Stimmt. Man braucht ja nur in der eigenen CD-Sammlung nachzuschauen, wie viele Aufnahmen des „Messias“, der Beethoven-Symphonien oder Schubert-Sonate B-Dur sich angesammelt haben.

Das Gegenteil sei, so Pauly, bei der zeitgenössischen Musik der Fall: Immer mehr Werke werden komponiert, immer neue Klangsprachen gefunden, aber das Publikum lernt die Werke kaum einmal richtig kennen: Es fehlt die "durch Wiederholung ermöglichte intensiveren Auseinandersetzung mit neuen Werken", wie Pauly zu recht meint. Nicht wenige zeitgenössische Werke bleiben nach der Uraufführung - und vielleicht einer Folgeaufführung bei einem verstiegenen einschlägigen Festival - fürderhin ungespielt.

Auch da haben die Dialoge einen Akzent gesetzt: Dass man etwa Helmut Lachenmanns Streichquartett Nr. 3 „Grido“ inzwischen recht gut kennt oder John Cages „Royoanji“ ist - natürlich neben den Festspielen und der Biennale - nicht zuletzt der Stiftung zu verdanken.

Nun also die letzten Dialoge in der Verantwortung von Stephan Pauly. Am Donnerstag (1.12.) spielt Pierre-Laurent Aimard György Kurtágs Werke für Klavier solo aus ''Játékok'', sowie Franz Liszts Sonate h-Moll, das Arditti Quartett Lachenmanns "Grido". Danach gibt es den Stummfilm von Boris Charmatz ''une lente introduction'' mit Musik von Helmut Lachenmann.

Am Freitag (2.12.) steht u.a. John Cages ''Ryoanji'' für Ensemble und Soloinstrumente auf dem Programm. Auch dazu gibt es Filmbilder.  Weiters spielt das oenm Werke von Iannis Xenakis und Enno Poppe. Am Samstag (3.12.) folgen eine „Lecture-Performance“ und eine Inszenierung von Xavier Le Roy: Sind Musiker „automatisch“ auch Performer, allein durch ihre Anwesenheit auf der Bühne? - Das ist eine der Fragen, denen an diesem Abend nachgespürt werden soll. Danach geht es ein wenig lockerer weiter: Mit dem Stummfilm „Robin Hood“ und Dennis James an der Orgel. Am Sonntag (4.12.) schließen die Dialoge wie gewohnt mit dem Mozart Requiem, das heuer mit Karlheinz Stockhausens „Jünglingen im Feuerofen“ in „Dialog“ tritt, und mit einem Weltmusik-Konzert: Hossein Alizadeh und Madjid Khaladj spielen Persische Musik.

„Die Grenzen werden ignoriert; Stücke, Künstler und Publikum aus klassischer wie zeitgenössischer Musik, aus Tanz, Film, bildender Kunst und aus unterschiedlichen Altersgruppen werden zusammengebracht - innerhalb eines Konzerts“, so charakterisierte Stephan Pauly das Festival: „So sind die ‚Dialoge’ nicht neu in ihrem Anliegen, grenzüberschreitend zu sein. Wohl aber neu in ihrer Konsequenz, dieses Anliegen zum durchgehenden Motiv der Arbeit zu machen.“

Festival Dialoge - 30. November bis 4. Dezember - mozarteum.at
Bilder: ISM/Harald Hofmann (1)/Wolfgang Lienbacher(1)

 

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