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Französisches Menü à la carte

MOZARTEUMORCHESTER / MARC MINKOWSKI

31/10/11 Der Gourmet schätzt nicht allein die einzelne Speise. Sie muss sich harmonisch einfügen in die Abfolge der Gänge, soll ausgleichen und verstärken, überraschen und Eindrücke festigen und insgesamt die Reizung steigern, dass die Spannung bis zum Schluss anhält und die zufriedene Sättigung zuletzt erreicht wird.

Von Erhard Petzel

altDie Matinee am Sonntag (30.10.) zeichnete ein perfektes romantisches Menü aus. Meister Minkowski führte seine Gäste geschickt und beherzt durch geschmacklich erlesene Gefilde. Gabriel Faurés Pavane in fis-Moll als duftige Vorspeise, Albert Roussels 3. Symphonie als 1. Hauptgang, die Sinne mit herber Würze schärfend, und Bruckners Vierte als alles erfüllender 2. Hauptgang, die Geschmacksknospen in ein üppiges Wechselbad der Empfindungen stürzend.

In zart gehauchten Farben bringt das Orchester die Melodie der Flöte zum Blühen, die Linien des leichten Gewebes entwickeln ihren Raum, raffinierte Spiele des Klanges, feinsinnige Steigerungen laufen in kaum noch hörbare Pizzicati aus. Unendlich zart und behutsam wird das Mozarteumorchester diesem Fauré gerecht, sentimentale Heiterkeit und freundliche Melancholie vermittelnd.

Von anderem Holz ist da Roussel. Minkowski verlässt sich nicht allein auf seinen Einsatz; vor dem ersten Ton richtet er eine Geste der Energetisierung auf die tiefen Streicher. Hämmernde Impulse werden zwar nicht ewig durchgehalten, immer wieder stampft das Werk aber wie ein Strawinsky mit Weichmacher daher. An Wendepunkten breiten sich Klangflecken aus, die das Zeug zu alles verschlingenden Sumpflöchern entwickeln könnten, wäre Roussel mit etwas Repertoire-Erfahrung unterlegt, was er sich durchaus verdiente.

Flöte und Oboe führen in ein choralartiges, schwebendes Adagio, das im Aufschwellen bedrohliche Untertöne erhält. Schmerzlich-parodistisches Klang-Mahlern mündet in eine Fuge verhaltener Maschinerie, Dukas' Zauberlehrling? Eine gespenstische Prozession drängt zum Höhepunkt und flacht ab zu stillem Wasser, über das Flöte, Horn und schließlich Geige als Melodiekähne gleiten. Ein heiter-vulgäres Scherzo, dann Programm- oder Filmmusik mit knallendem Schluss. Albert Roussel empfiehlt sich als sinfonischer Programmpunkt.

Für Bruckner lädt Minkowski zum großgestigen Klangbad ein. Wirkt eingangs die sehr spät eingebrachte Punktierung des Quintmotivs etwas stockend, faszinieren feine Agogik und raffinierte Akzente in der Überleitung zur Schlussgruppe, um nach der pulsierenden Durchführung mit spannenden Scheinreprisen in der Coda zu einem unwiderstehlichen Sog zu finden, der für diese Werkausführung symptomatisch bleiben wird. Der Dirigent bannt das Orchester in dynamische Riesenkaskaden, die im Scherzo, bis an die Pole der Ausdeutung, grob hereinbrettern, während das gebremste Trio schubertisch traumtanzt.

Dieser Sog erreicht im Finalsatz wagnersche Rauschhaftigkeit, wo nicht über dem Marschpuls des Basses bittersüße Erzählung wie die titanische Klangwelt Mahlers hochleuchtet. Wahrhaft heroisch darauf das Blech. Stolz werden die Register dem donnernden Applaus offeriert.

Und der Espresso für den Salzburger: Der Bratschist Hartmut Schmidt spielte nach 40 Jahren Orchester-Zugehörigkeit sein letztes Mal und bekommt von Minkowski dafür einen bunten Blumenstrauß. Das hat sich dieser rührige und kreative Musiker auch redlich verdient.

Bild: Mozarteumorchester
Zur Buchbesprechung Hartmut Schmidt Aus einem Musikerleben in Salzburg


 

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