Anna und die Liebe
ROCKHOUSE / ANNA CALVI
20/10/11 Strenger Haarknoten im Nacken, rote Lippen, schwarze Chiffonbluse und jede Menge Goldketten. Anna Calvi hat ein gutes Gespür für Spannungsaufbau und einen dramatischen Auftritt. Sie spielt auch in Salzburg in ihrer Flamencotänzer-Aufmachung, die so gar nicht zu ihrem britischen Akzent passen will.
Von Nina Ainz
Liebe, Leidenschaft und brennendes Verlangen: Das sind die Motoren, die Anna Calvis Musik antreiben. In der Hand hält sie meist ihre Fende Telecaster, mit deren Hilfe sie die schwüle Atmosphäre erzeugt, die Kritiker an ihrer Musik lieben. Und Calvi beherrscht ihr Instrument, so viel steht fest. Am Mittwoch (19.10.) konnte sich das Salzburger Publikum im Rockhouse in Calvis düster-erotische Klangwelt begeben.
Die 1982 geborene Britin mit italienischen Wurzeln ist ein vortreffliches Beispiel dafür, wie im heutigen Musikgeschäft Namen groß gemacht und Mythen gesponnen werden, noch bevor die betreffenden Künstler überhaupt ein zweites Album veröffentlicht haben. Liest man Rezensionen von Calvis Debütalbum, stößt man unausweichlich auf Namen wie David Lynch, PJ Harvey, Siouxsie Sioux und Maria Callas; die Liste könnte fortgesetzt werden. Dabei ist Calvis Musik alles andere als ein müder Abklatsch von den ganz Großen.
In ihren besten Momenten erzeugt Anna Calvi mit ihren Songs eine ähnlich sehnsuchtsvolle Stimmung wie einst Jeff Buckley, zum Beispiel bei den Stücken „Morning Light“ und „No More Words“, die live eine besondere Sogkraft entwickeln. Auch die beim Konzert in Salzburg gespielten Coverversionen von Elvis Presleys „Surrender“ und TV On The Radios „Wolf Like Me“ sind äußerst reizvoll, wenn sie stilgerecht ins Anna-Calvi-Soundgewand verpackt werden.
Begleitet wird Calvi wie immer von Schlagzeuger Daniel Maiden-Wood und Molly Harpaz an Harmonium und Percussion. Die Stimmung ist auf dem Höhepunkt, wenn Calvi ihre Stadionrockhymnen anstimmt. Stücke wie „Blackout“ und natürlich „Desire“, beides Singleauskopplungen aus dem aktuellen Album. Während Ersteres zu formelhaft gestrickt daherkommt, um wirklich aufregend zu sein, kann man sich der Kraft des Letzteren kaum entziehen: Zu verlockend sind die Harmonium-Klänge, mit denen der Song eingeleitet wird, zu verheißungsvoll ist Calvis satter, tiefer Gesang zu den treibenden Rhythmen des Schlagzeugs.
Im Vorprogramm stellte übrigens The More or the Less alias Tobias Pötzelsberger ein paar ausgewählte Songs des neuen Albums vor. Leider soll dieses erst im April 2012 erscheinen – es hätte die dunkle Winterzeit sicherlich etwas verkürzt.