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Ein Engel und ein Vulkanausbruch

DELIRIUM / GUSTAV KUHN

20/12/10 Nach einer halben Stunde fragt man sich schon, was der mysteriös anonyme Engel aus Montegral fürs „Offertyrio II“ eigentlich wem eingegeben hat.

Von Horst Reischenböck

Die angesprochene „Erinnerung“ an ein Melodram (eine Kunstform, die noch Richard Strauss pflegte) war’s mitnichten. Denn dazu wurde der Text seines späteren Librettisten Hugo von Hofmannsthal, „Der Geiger vom Traunsee“, doch kaum klanglich unterlegt. Aber eindrucksvoll gelesen durch Peter Simonischek.

Dazu etwas kontrollierter Raumklang, auch vom hinteren Bereich des Saales her, und ein einsamer, die Saiten streichender Geiger als „Führer“ des Erzählers. Dessen Rede unterbrechen zwei Orchesterfugati, und dann gibt es noch ein von Brahms gesetztes Volksliedpaar (vielleicht als Verbindungslinie zum Auftreten der Musicbanda Franui am Morgen danach?). Ein paar bestürzende, den angesprochen Absturz des Wanderers illustrierende Fortissimo-Schläge: Trance? Jedenfalls nicht im Publikum. Da reichte es am Samstag (18.12.) im Großen Saal des Mozarteums nur zu höflichem Beifall.

Aber das war nach der Pause ganz anders. Die Generalpausen vorerst exakt auszirkelnd, entfesselte Gustav Kuhn schon in der Durchführung des Kopfsatzes von Pjotr Iljitsch Tschaikowskys „Pathetique“ einen emotionalen Vulkan. Das Orchester der Tiroler Festspiele folgte ihm hingebungsvoll ins Feuer. Nach dem zart melancholisch „hatscherten“ 5/4-Walzer steigerte man die Stimmung noch bissig zu weiterer Eruption, indem das Allegro total zugunsten des „molto Vivace“ hintangestellt wurde. So gefühlsmäßig kurz, förmlich in eine totale Klimax hinein gepeitscht, habe ich den Geschwindmarsch jedenfalls seit Tagen Ferenc Fricsays nie mehr gehört.

Kein Wunder, dass schon danach spontaner Jubel angesagt war. Noch ehe das das h-Moll-Opus 74 beschließende Lamento - damit noch vor Gustav Mahlers Neunter schon 1901 Vorbild für den Erstling des bei uns kaum bekannten Dänen Hakon Børresen - satt ausgespielt wurde. Genauso süffig, vollmundig, gab’s davor mit Richard Wagners „Siegfried-Idyll“ Reminiszenzen an die Festspiele in Erl. Wobei allerdings der große Streicherteppich trotz subtil gestalteter Details mitunter Bläserstimmen von der Balance her nicht nur optisch in den Hintergrund rückte.

Bild: www.petersimonischek.at

 

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