Des Lockenhaares letzter Schopf
BEETHOVEN / 250. GEBURTSTAG
14/12/20 Von Einem kann man mit annähernd hundertprozentiger Sicherheit ausgehen: Der 250. Geburtstag von Beethoven fällt in diese Woche. Das Datum selbst ist etwas unscharf, denn wir wissen nur, wann der künftige Meister katholisch getauft wurde: am 17. Dezember 1770.
Von Reinhard Kriechbaum
Im Allgemeinen machten sich die Paten mit dem Säugling noch am Tag der Geburt, spätestens einen Tag danach auf in Richtung Kirche. Also ist's am kommenden Mittwoch (16.12.) oder eben am Donnerstag (17.12.) so weit. Großes Glück hatte der Jahresregent ja nicht heuer, vieles musste abgesagt, zumindest verschoben werden. So manche Beethoven-Ausstellung wurde schon im ersten Lockdwon und jetzt abermals pandemiebedingt unterbrochen. Das romantisierende Bild des Spaziergängers Beethoven stammt von Julius Schmid und gehört dem Wien Museum.
Gehen wir's doch von der Maschekseite an, wie es der Wiener sagt. Den Hauptstadtbewohnern sagt man ja ein höchst inniges Verhältnis zum Tod nach. Es wundert uns also gar nicht, dass sich unter den Kleinst-Ausstellungen zum Beethoven-Jubeljahr sogar eine im Wiener Bestattungsmuseum auf dem Zentralfriedhof findet. Dieses „ist bekannt für sein Trauerspielzeug mit therapeutischem Wert, für die originellen Shop-Artikel und für die Permanentausstellung, die die Entwicklung und Geschichte der Wiener Bestattungskultur erzählt“, lesen wir in einer Presseaussendung. Wer es sucht: Das 1967 gegründete Bestattungsmuseum befindet sich seit drei Jahren im Souterrain der Aufbahrungshalle 2 des Wiener Zentralfriedhofs.
Beethovens ganz unrunder, nämlich 193. Todestag war schon am 26. März. „Vor seinem Tod empfing Beethoven die Sterbesakramente und verlangte ausdrücklich eine katholische Beisetzung“, erfahren wir aus einem jüngst veröffentlichten Kathpress-Beitrag zur religiösen Einstellung Beethovens. Franz Grillparzer verfasste die Grabrede, einer der 36 Fackelträger beim Begräbnis auf dem Währinger Ortsfriedhof war Franz Schubert. Seit 1888 ist Beethovens letzte Ruhestätte ein Ehrenhain auf dem Wiener Zentralfriedhof. Auch Schuberts sterbliche Überreste sind damals dorthin übertragen worden.
Man kann also schon ein bisserl was erzählen von und rund um Beethoven in einem Bestattungsmuseum. Auch vom Leben, weil gestorben sind ja alle mal: An Mozart wird natürlich erinnert. Dessen Kompositionsschüler hätte Beethoven werden sollen, deshalb hat ihn der Bonner Kurfürst 1786/87 nach Wien geschickt. Eine Begegnung mit dem knapp fünfzehn Jahre älteren Mozart ist nicht belegt. Aus Beethovens zweiter Studienreise nach Wien 1792 wurde ein dauerhafter und endgültiger Aufenthalt. Kompositionsunterricht nahm er bis 1794 bei Joseph Haydn, später unterrichtete ihn u.a. Antonio Salieri. Adelige Gönner ermöglichten dem Komponisten in der Folge eine unabhängige künstlerische Existenz. Die kleine Schau im Bestattungsmuseum schenkt auch weniger bekannten Wegbegleitern und -innen wie Nannette Streicher, Anton Schindler und Stephan von Breuning Augenmerk.
Wir wollen bei Beethoven natürlich nur das Erhebende betrachten, das stolz, ja trotzig erhobene Haupt. Dieses ist zeitlebens und auch posthum dran geblieben am Rumpf, was gar nicht so selbstverständlich war. Beethoven hat es entschieden besser getroffen als die anderen beiden Großmeister der Wiener Klassik. Der Schädel von Haydn hat nämlich eine rechte Odyssee erlebt und viele verschiedene Besitzer gesehen, bis er im richtigen Grab landete. Und bei Mozart wissen wir es nicht so genau – hoffentlich ist jener Schädel, den die Stiftung Mozarteum in Salzburg besitzt, aber nicht nur aus Gründen der Pietät niemals zur Schau stellt, nicht echt.
Wenigstens eine Haarlocke wurde vor dem Grab gerettet. Sie befindet sich im Besitz des Wien-Museums und wird gerade im Beethoven-Haus in Heiligenstadt ausgestellt. Ist sie von einem kunstliebenden Barbier vorsorglich aufbewahrt oder erst nach Beethovens Tod abgeschnitten worden? Besagter Freund Stephan von Breuning eilte – so erzählt die Fama – jedenfalls zur Bahre des Meisters, um sich eine Locke zu sichern, und fand ihn haarlos vor. Ob die Totalrasur mit der Anfertigung der Totenmaske zu tun hatte oder mit der Geschäftstüchtigkeit des Sekretärs Anton Schindler, bleibe dahin gestellt. Die Haarpracht auf der Totenmaske ist wohl skulpturale Kunst...
Aber weil wir schon bei der Locke sind: Dank dieses Relikts sind wir nicht mehr auf Spekulationen angewiesen hinsichtlich der Todesursache. Keine halbseidenen Vermutungen wie das „hitzige Frieselfieber“ bei Mozart. Kuratorin Lisa Noggler-Gürtler vom Wien Museum kann von konkreten wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen berichten: Laut Haarproben-Analysen litt Beethoven zuletzt an Lungenentzündung und Bauchwassersucht, und mit dem damals üblichen Bleipflaster wurde seine Leber nicht fertig. Der Wein war's nicht.