Opera out of Opera
UNIVERSITÄT MOZARTEUM
06/03/20 Neckisch mauzendes Katzenduett. Strahlender Prinz Kalaf mit Nessun Dorma. Sinnliche Carmen. Flehender Graf erfährt Vergebung im schönsten Finale der Opern-Geschichte... Es war kunterbuntes Opern-Wunschkonzert, interpunktiert mit flirrenden Percussion-Nummern. Die Stimmung ist noch im YouTube-Video greifbar: Letzten Samstag (29.2.) ging Opera out of Opera im spanischen Pamplona über die Bühne. Kommenden Samstag (7.3.) geht es weiter im salzburgischen Europark.
Von Heidemarie Klabacher
Ein YouTube-Video erstetzt keinen Konzertbesuch. Aber die Stimmung am Wochenende in Pamplona muss hervorragend gewesen sein: Junge Sängerinnen und Sänger und ein ebenso junges Orchester führten in der Sala de Exposiciones de Baluarte von Opern-Highlight zu Opern-Highlight zur Beisterung eines kunterbunt gemischten, aber tendenziell eher jungen Publikums.
Konzert in der Farbrikshalle, Winterreise auf dem Untersberg, Oper in der Straßenbahn-Remise – das ist längst nichts Neues mehr. Im Europark sind kulturelle Interventionen inzwischen so selbstverständlich, wie der Ausverkauf. Aber dieses Projekt geht, wie es scheint, tiefer und mehrere Schritte weiter.
Der Flughafen Fiumicino in Rom, der Strand von Paralía Palaiou Falhrou Mpatis in Athen, die spanische Stadt Pamplona und der Europark bilden jeweils die Kulisse: Opera out of Opera ist ein „europaweites interaktives Livekonzert-Format, das die Oper fernab vom klassischen Opernhaussetting mitten hinein ins bunte Alltagstreiben der Menschen versetzt“, meldet die Universität Mozarteum. Mit einer konzertbegleitenden App könne das Publikum sogar live das Programm mitbestimmen. Auch klassische Programmheft-Inhalte über Komponisten und Werke kommen via App. Es ist in länderübergreifendes Projekt fünf europäischer Musikinstitute und wird von „Creative Europe“ gefördertet.
„Wir schafften es sogar, die Aufmerksamkeit gestresster Reisender am Flughafen in Rom auf uns zu ziehen und Menschen zum Verweilen und zum Staunen zu bringen: Eine geschäftige Flughafenhalle war plötzlich mit großartigen Klängen erfüllt, die Atmosphäre war einzigartig.“ Das Projekt Opera out of Opera will besonders den jüngeren Generationen Oper nahebringen. Das Konzept umfasse, so die Universität Mozarteum in ihrer Aussendung, „einen Mix aus ungewöhnlichen Aufführungsorten, konzertbegleitender interaktiver App, Videowall sowie Werkskürzungen durch Vereinfachungen und Medleys auch in Nicht-Originalsprache“.
Ob man mit solchen Versimplifizierungen die Leute nicht auch immer ein wenig unterschätzt und den Werken selber mehr schadet als nützt? Das fragt man sich oft bei allzubemühter „Vermittlung“. Aber die intensive Begeisterung, die allein durch das YouTube-Video vom Pamplona-Termin am Samstag (29.2.) spürbar wird, spricht eine eindeutige Sprache.
Da stören auch ein paar intonatorische Freiflüge im Chorsopran nicht im Mindesten. Und wer Nessun Dorma einmal im unkomplizierten Rahmen so strahlend gesungen gehört hat, wie in diesem Schmankerl-Konzert, wird vielleicht auf den „Rest“ von Turandot neugierig. Der Tenor ist übrigens Nutthaporn Thammathi, der am Mozarteum ausgebildet wird und in den hauseigenen Opern-Produktionen schon mehrmals mit seinem schmelzenden Timbre und seiner sicheren Höhe aufgefallen ist.
Jedenfalls will man mit Opera out of Opera „ein neues, junges Publikum für die Oper begeistern“. Bei den Kooperationspartnern in Rom, Athen und in Pamplona gab es bereits Kostproben: „Der Erfolg war phänomenal, die Menschen waren begeistert“, sagt Mario Diaz von der Universität Mozarteum, von die Schilderung der Atmosphäre im Flughafen von Rom stammt. Um das Publikum in die Aufführungen einzubinden und Wissen rund um die Komponisten, die Werke und die Musikerinnen und Musiker zu teilen, wurde die Opera out of Opera-App für IOS und Android in den Sprachen Deutsch, Englisch, Italienisch, Griechisch und Spanisch entwickelt.
„Mit dieser App können Zuschauerinnen und Zuschauer etwa über ein Live-Voting mitbestimmen, welche Stücke aufgeführt werden“, sagt Mario Diaz. Hat das Konzert bereits begonnen, informiert die App in einem Live-Ticker darüber, welches Werk gerade gespielt wird. In Rom sei das Projekt zunächst ganz analog mittels kurzer Ansprache angekündigt und danach das Publikum eingeladen worden, sich auch die App herunterzuladen: „Es dauerte nicht lange und schon waren die spontanen Zuhörer interaktiv mittendrin im konzertanten Geschehen. Und sie blieben – lauschend, fasziniert, gebannt, aus dem Alltag entführt in eine andere fantastische Welt voll klingender Emotionen, dargeboten von jungen Musikerinnen und Musikern für junge Menschen, aber auch generationenübergreifend natürlich für alle, die Freude am Zuhören hatten“, schwärmt Mario Diaz.
Für die Planung, Koordination und Umsetzung von Opera out of Opera haben sich fünf europäische Musikinstitutionen miteinander vernetzt: Unter der Führung von Mario Diaz obliegt der Universität Mozarteum die künstlerische Gesamtleitung. Das Conservatorio Santa Cecilia Rom ist der Hauptkoordinator. Die Chamber Opera Association of Navarra in Pamplona sorgt für Virtual-Design, Live-Elektronik und Visuals. Die Athener Art-On Petite Opera du Monde ist verantwortlich für die Dramaturgie und die European Association of Conservatoires (EAC) in Brüssel für Marketing und Kommunikation.
Auch die Musikerinnen und Musiker, Studierende und Alumni der jeweiligen Musikinstitute, kommen in wechselnder Besetzung aus allen fünf Ländern. Die Opernsängerinnen und Opernsänger treten als fixes Ensemble jeweils an allen Spielorten auf. Vom Mozarteum dabei sind die Sopranistin Ayse Senogul und der Tenor Nutthaporn Thammathi. Am Samstag (29.2.) fand Opera out of Operain Pamplona statt mit Arien, Duetten und Ensembles aus Rigoletto, Carmen, Cavalleria Rusticana, Figaro, Zauberflöte oder Nabucco.
Nach Beendigung der ersten Projekttour würden, so berichtet Mario Diaz, alle erworbenen Daten und Reaktionen von einem externen Partner evaluiert und ausgewertet, bevor das Projekt „weiter in die Welt hinausgehen soll“. Man verstehe das Projekt über reine Musikvermittlung hinaus auch als einen gesellschaftlichen Beitrag auf internationaler Ebene, „mit Mitstreitern aus unterschiedlichen Kulturen und Religionen, die alle brennen für die Musik als Sprache, die keiner Worte bedarf und die die Kraft hat, Völker zu vereinen und Generationen zu verbinden“. Was moch viel mehr ist als Pathos: Auch das als „fernstehend“ eingeschätzte Publikum fetzt nicht nur zu einigen coolen cross-over-Takten Freude schöner Götterfunken ab, sondern jubelt schon nach nur einem einzigen Akkord, wenn das Duett der Duette aus der Traviata angestimmt wird. Vielleicht war's aber auch nur wegen des Sektkorken-Knallens. Jedenfalls darf man im Konzert endlich auch mal unangezischt Handy-Fotos machen.