Edle Klangkulturen
MOZARTEUMORCHESTER / BEETHOVEN-FIEBER
13/09/19 Das Mozarteumorchester im Beethovenfieber als Auftakt zum kommenden Jubiläumsjahr unter dem Dirigat des Einspringers Andreas Spering. Eine fulminante Chorfantasie mit dem Pianisten Filippo Gorni und dem Bachchor im Großen Saal.
Von Erhard Petzel
Mit etlichen Pilgerstätten für Mozart und einem Bachchor ist in Salzburg einer der ganz Großen tatsächlich etwas unterrepräsentiert: Anlässlich seines 250. Geburtstagsjubiläums 2020 wird Beethoven aber jetzt vom Mozarteumorchester gehörig abgefeiert. Drei seiner eher selten gespielten Werke stellten das Programm des Abends. Der für den verhinderten Chefdirigenten Minasi eingesprungene Andreas Spering eröffnete mit der 8. Sinfonie. Der Spezialist für Alte Musik arbeitet stablos fein nuanciert bis donnernd die dynamischen Kapriolen des Komponisten heraus, jagt die Durchführung zur Ekstase um abfedernd gleich lyrisch zu kontrastieren. Mit packendem Zugriff entspinnt sich ein Walzer, um sogleich abgewürgt und zerfleddert zu werden in belfernde Oktaven.
Beim 2. Satz, der gerne mit Mälzels Metronom in Zusammenhang gebracht wird, kommt dieses in den dominierenden Bläsern etwas ungeschlacht, weshalb sich der feinnervige Witz im Kontrast zu den tanzenden Geigen etwas verschreckt zeigt. Mondän behaglich das Menuett, beflissen säbeln die Cellisten ihre satten Untergrundfiguren im Trio, während der Finalsatz bis zum lyrischen Teil irisierend fetzt. Komisch und aufregend zugleich das durchführungsartige 2. Zwischenspiel. Nach dem Duett zwischen Holz und Bass wird es exaltiert, harmonische Härten werden üppig ausgekostet, die Dreiklangsschlacht zum Schluss zeigt Beethoven als aberwitzigen Schalk.
Die Chorfantasie mit dem Text von Christoph Kuffner hat auch bei einigen Beethovenfans keinen leichten Stand und wird gerade einmal als Aufwärmübung für den 4. Satz der 9. Sinfonie akzeptiert. Etliche Wendungen atmen den Verdacht schamloser Trivialität. Als festlicher Abschluss für eine Akademie 1808 hastig komponiert, hatte Beethoven die Klaviereinleitung improvisiert. Das macht der junge Italiener Filippo Gorni, 2015 Sieger beim Bonner Beethoven-Wettbewerb, dann auch mit den hingeworfenen und wüst zerlegten Akkorden nachvollziehbar. In dialogischer Struktur dominiert das Klavier die Interaktion mit dem Orchester und baut sich ständig neue Plattformen zu Kadenzen, die schon vorausweisen auf die kommende Epoche der Virtuosen, bis der Klavierleib den Ohrwurm kreißt, der dann den Rest des Werkes dominiert.
Kräftig und elegant das Frauenterzett, sehr männlich das Männerterzett, wunderbar der gesamte Bachchor. Die herausragende Qualität, mit der alle ihren schwierigen Part musizieren, lässt das Werk, das durch den Dirigenten mit leichter und präziser Hand zur dauerhaften Jubelhymne emporwächst, in prächtigem Glanz erstrahlen. So verkraftet man auch den etwas schwulstigen Text Kuffners, an dem sich Beethoven selbst gerieben hatte, um im nächsten Wurf für Schillers Ode bereit zu sein. Tobender Applaus für Gorni, Spering, Chor und Orchester. Doch es sollte nicht bei dem einen Höhepunkt bleiben. Beethovens 2. Sinfonie wurde nach der Pause zum Fanal der Musizierlust.
Die langsame Einleitung tönt in edler Klangkultur, geschmackvoll die wirkungsmächtigen Sforzati, die frech durch den ganzen 1. Satz aufploppen, beschwingte Themen, tragische Molleintrübungen, fein austarierte Temposchwankungen und an die Schmerzgrenze gehende Aufschwünge, den Kosmos des erratischen Komponisten ausleuchtend. Das Scherzo mit spritzigem Witz in den Gegenakzenten und Crescendi lebendig ausmusiziert, den atemberaubenden Finalsatz bis zum Hexenritt gesteigert. Hier kündet sich das spätere Gewitter schon an. Eine Orgie für Musiker und Dirigenten, die sich und ihre Musik sichtlich und hörbar genossen. Das mitgerissene Publikum war begeistert dabei.