Zauber der Sommernächte
MOZARTEUMORCHESTER / HAGER
29/10/18 „Nachtfarben“ war das verheißungsvolle Thema. Unter Alt-Meister Leopold Hager entfaltete das Mozarteumorchester beim herbstlichen Abo-Konzert im Großen Saal des Mozarteums sommernächtliche Klangfantasien von Mendelssohn Bartholdy, Hector Berlioz und Arnold Schönberg.
Von Elisabeth Aumiller
Als Siebzehnähriger schrieb Felix Mendelssohn Bartholdy die Ouvertüre zur Shakespeare-Komödie Ein Sommernachtstraum und legte damit den Grundstein für seine späteren Erfolge wie für die Charakteristik seiner künftigen Klangsprache. Erst 15 Jahre später schuf er die vollständige Bühnenmusik, die geradezu nahtlos an die frühe Ouvertüre anknüpft. Melodisches Fließen in flirrender Farbigkeit und feinsinniger Lyrik romantischer Prägung findet sich vorrangig in seinem Werk.
So auch in den hier ausgewählten vier instrumentalen Stücken: im heiter flüchtigen Scherzo, in der irisierenden Tanzweise des Intermezzos, im betörenden Notturno (das Franz Liszt mit „Regenbogenduft“ und „Perlmuttschimmer“ beschrieben haben soll) und schließlich im Hochzeitsmarsch. Letzterer, aus vielfältigsten Arrangements allbekannt, erklang in beflügelnder Grazie und feierlicher Bestimmtheit – und hier natürlich im Original. Eine überzeugende Interpretation zauberischen Blühens. Frisches Musizieren in fließender Bewegung und orchestraler Balance untermischt mit glänzenden Solopassagen bei den Bläsern.
Die Sopranistin Juliane Banse war die Solistin in den sechs Orchesterliedern Les nuits d'été von Hector Berlioz. Die Texte zu diesen „Gesängen von Liebe und Tod“ stammen aus der Sammlung La comédie d la mort von Théophile Gautier, die eigentlich aus männlicher Sicht erzählen, aber immer von Frauenstimmen gesungen werden.
Juliane Banse fand überzeugend den rechten Ton für das französische Flair, gab der Stimme leuchtende Qualität und zeichnete die Schattierungen des romantischen Stimmungsgehalts mal mit Silberstift, mal mit warmer Klangfülle. Beim heiter-flotten Villanelle wetteiferten die Holzbläser brillant mit der Gesangsstimme. La spectre de la rose sang die Sopranistin mit melancholischem Unterton von betörendem Reiz. Mit feinem Tremolo untermalten die Streicher das Nachduften der abgewelkten Rose. Feiner Klageton der weich fließenden Stimme war der zarte Ausdruck beim Lamento über das bittere Schicksal der schönen Geliebten in Sur les Lagunes, klangreich nuancierend von den Streichern und Bläsern mitgeformt… Jedes einzelne Lied eine kostbare Miniatur, höchst stimmige „Sommernächte“ von der hervorragenden Gestalterin herauf beschworen über facettenreichem Orchesterglanz. „Berlioz schrieb romantische Musik, in der 20. Jahrhundert brodelt“, sagt Gottfried Franz Kasparek: Auch diesen Aspekt machte die transparente Interpretation des Mozarteumorchesters unter Leopold Hager deutlich.
Eine „Mondnacht im Jugendstil“ folgte mit Arnold Schönbergs Verklärter Nacht op. 4 nach einem Text von Richard Dehmel, der auf autobiografischer Basis beruht und einen dramatischen Dialog zwischen Mann und Frau schildert: „Zwei Menschen geh'n durch hohe, helle Nacht…“ Das frühe Werk schrieb der Komponist 1899 in nur drei Wochen als Streichsextett. 1917 und 1943 erstellte Schönberg Überarbeitungen für Streichorchester, deren letzte hier vom groß bestückten Streicherensemble zu eindringlicher Wirkung gebracht wurde. „Das einsätzige Stück gilt als bedeutendes Werk im Geiste der kreativen Nachfolge Richard Wagners und als Meilenstein auf dem Weg zur Neuen Musik“, schreibt Gottfried Franz Kasparek im Programmheft. Nicht nur in Klängen werde die Geschichte erzählt, sondern die menschliche Befindlichkeit werde im entsprechenden Aufbau der fünf Gedichtstrophen tönend ausgemalt. Die Streicher des Mozarteumorchesters unter dem 83-jährigen Leopold Hager ließen Schönbergs fantastische Tonmalerei betörend Klang werden.
Bild: dpk-Aumiller