„Du erkennst mich an der Trompete“
REPORTAGE / JAZZ & THE CITY
23/10/18 „Heute um acht im Toihaus?“ So oder ähnlich muss es geklungen haben, als Volker Goetze auf der Suche nach einer neuen Partnerin seine Rufnummernliste abtelefonierte. Er wünschte sich eine aufgeschlossene, neugierige und unternehmungslustige Partnerin.
Nein, nicht zum Heiraten. Eher für einen one-Night-Sand. Aber um nun keine falsche Fährte zu legen: Es ging um Musik, um ein „Blind Date“. So hieß eine neue Programmschiene beim Festival Jazz & The City in Salzburg. Almut Kühne war schließlich die Kurzzeit-Partnerin von Volker Goetze. „Das Konzept der musikalischen Blind Dates, zum ersten Mal ein essentieller Bestandteil des Programms von Jazz & The City, ging auf“, freut sich die künstlerische Leiterin Tina Heine. „Musiker und Musikerinnen aus unterschiedlichsten Ländern und Traditionen fanden sich dabei zusammen, oft so spontan, dass noch dreißig Minuten vor Konzert nicht klar war, wer nun wirklich kommen würde.“
Und so entstanden ungewöhnliche Formationen, wie der „Bassisten-Summit“ mit Jasper Hoiby, Robert Landferman und Lukas Kranzelbinder in der Galerie im Traklhaus, der Pianist Pablo Held, der nicht nur sich selbst einen Traum erfüllte, als er den legendären amerikanischen Geiger Mark Feldmann zu seinem Blind Date lud oder eben das oben erwähnte Traumpaar mit der improvisierenden Sängerin aus Berlin und dem in New York lebenden Trompeter.
Nicht nur die Musiker, vor allem das Publikum zeigte sich begeistert von diesem spontanen Miteinander. Mehr als 25.000 Menschen folgten von 17. bis 21. Oktober der Einladung, sich auf spontane Entdeckungen einzulassen, sei es im intimen Rahmen der Weinkeller, Gasthäuser oder Handwerksbetriebe oder auch auf den großen Bühnen wie im Salzburger Landestheater, der Universität Mozarteum oder im republic.
Auch wenn die Gitarre noch am Flughafen hängen geblieben war und der Ersatz erst während des Konzerts auf die Bühne gebracht werden konnte, war das Salzburg-Debüt der französischen Drummerin Anne Paceo ebenso einprägsam wie die mitternächtlichen Konzerte von Donny Mc Caslin oder Thomas de Pourqueris Supersonic.
Tina Heine spekuliert sehr mit Überraschungen und sieht das auch eingelöst, nicht zuiletzt in vielfältigen Kontakten zwischen Künstlern und Publikum: „Man traf sich auf der Straße, tauschte sich aus, verabredete sich. Tipps wurden weitergegeben, Begeisterung geteilt und geweckt und vor allem viel miteinander geredet und gelacht.
Wo vorher ein unbekannter Name stand, freute man sich auf einmal über einen neuen Lieblingsmusiker.“ Das Motto „Let’s get lost“, dieses Sich-treiben-Lassen, sei also aufgegangen.
220 Musiker waren an den fünf Festivaltagen in Salzburg unterwegs. Mittelöstliche Klänge von NES im Café Tomaselli, Jazz-Improvisationen und Experimentalfilme von Peter Sempel im Künstlerhaus, Altmeister Ralph Towner im Weinarchiv der Blauen Gans, der brasilianische Soul-Jazz-Sänger Ed Motta im republic. Der britische Sänger Ian Shaw hat seit 2016 eine große Fangemeinde in Salzburg und trat diesmal mit seiner kongenialen Partnerin Liane Carroll im St.Peter Stiftskulinarium auf. Der Vokalakrobat Andreas Schaerer ließ sich mit einem umwerfenden, völlig akustischen Solo-Programm im Mozartkino hören, der Organist Kit Downes in der Kollegienkirche.
Der Sonntagmittag im Mirabellgarten war schließlich nochmal ein gutes beispiel für die Vielfalt und Spontaneität, wie sie Tina Heine erhofft hatte: Vom ZiegenYoga der Psyschwestern (einer Salzburger KünstlerInnen-Gruppe) über Bambusrohr-Blasende Musiker und Parkbesucher, seltsamen Verkehrslärm des Soundkünstlers Nicola de Croce in der Orangerie bis hin zur wilden Schw!ng Party mit begeistert tanzendem Publikum auf dem Zauberflöten-Spielplatz. (Jazz & The City)