asdf
 

Bilderflut und Klangfülle

ASPEKTE / ENSEMBLE PHACE / MARINO FORMENTI

26/04/18 „Shining. Melting. Drowning. Drowning in emotions…“ Das Publikum ertrank eher in Bildern als in Emotionen. Die Aspekte 2018 wurden mit „An Index of Metals des Komponisten Fausto Romitelli und des Videokünstlers Paolo Pachini am Mittwoch (25.4.) im Republic eröffnet. Marino Formenti legte in den Kavernen einen eigenwillig heiter-ätherischen Klavierabend nach.

Von Heidemarie Klabacher

Es war eine Hommage an einen Frühverstorbenen. Der „Sog eines Rockkonzerts und die noch spürbare Ästhetik seines Lehrers Grisey“, kennzeichne die Video-Oper des 2004 im Alter von 41 Jahren verstorbenen Fausto Romitelli, sagte Aspekte-Leiter Ludwig Nussbichler.

„An Index of Metals“ umfasst neben Rock und Spektralismus freilich auch alles andere - ein wenig Hochglanz-Pop, gospelartig-hymnische sowie vorkriegsschlager-revueartige Momente im Gesangspart. Die Disparatheit oder Spannung zwischen traditionellen und experimentelleren Mitteln sollte „es“ wohl sein, will sich aber nicht recht auftun: Alles war ziemlich soft, obwohl das Ensemble Phace sich mit Verve, Virtuosität und Energie um Kantigkeit bemühte. Dass das finale E-Gitarrensolo am Schluss den herzigen Eindruck vom „verwegenen“ Höhepunkt eines untadeligen Schulkonzertes (vielleicht im Borromäum oder bei den Schotten, weil Phace ja aus Wien kommen) dennoch nicht verwischen konnte, liegt am Stück und nicht an den hervorragenden Gitarristen.

Ebenso hervorragend wie gespielt wurde, sang die Sopranistin Daisy Press den Vokalpart auf die, leider kaum verstehbar angekommenen, Texte der kroatischen Schriftstellerin und Journalistin Kenka Lèkovich. Diese schrieb, kurzes Zitat aus dem Aspekte Blog 4, weil das Programmbuch rein gar nichts über den Text verrät, „2003 unter dem Obertitel ‚Metalsushi‘ drei Gedichte in englischer Sprache, die jeweils mit ‚Hellucination 1 (drowningirl)‘, ‚Hellucination 2 (risingirl)‘ und ‚Hellucination 3 (earpiecingbells)‘ überschrieben sind.“ Diese harten, futuristischen und dunklen Gedichte seien als Momente des Fallens und in die Tiefe hinab sinkend geschrieben. Das mit dem „drowning“ ist ja auch tatsächlich angekommen: „She will drown and sink…“

Sinken und ertrinken. Das konnte man besser als in der vorhersehbaren Musik in der symbolistisch-modernistischen Bilderflut von Paolo Pachini, die 45 Minuten lang vielfältige Assoziationen weckt – von Gummi-Abriebspuren auf einer Flugzeuglandebahn, über kaleidoskopartige Abfolgen von spanischen Azulejos und Motiven aus der persischen Buchkunst, bis hin zu Bildern aus der Petri-Schale. Da wird jeder was anderes gesehen haben. Auf bewegte Glühfäden hingegehn werden sich alle einigen.

Tatsächlich lässt sich eine Dramaturgie ausmachen. Das Motiv des „Fallens“ oder seines Gegenteils etwa wird geradezu plakativ umgesetzt in zwei gegenläufgien Bildsequenzen, die ein Hochhaus hinauf und wieder hinunter zu rasen scheinen. Auch spiegeln sich formale Kriterien der Musik in der Bilderflut: eine geradezu rondo-artige Sequenz ließ sich ausmachen, eingeleitet jeweils von einem Klavierimpuls; die Hochhaus-Sequenz kehrte musikalisch und bildlich zu ihrem Ausgangspunkt zurück… Analyse statt Emotion? Warum nicht.

Sinken und versinken konnte man dann eine Stunde später in den Kavernen 1595 im unvergleichlichen Klaviersound von Marino Formenti. Der Pianist hat einen (scheinbar) bunten Wunschkonzert-Abend für die Komponistin Olga Neuwirth zusammengestellt, die im August ihren Fünfziger feiert. Um zwei zentrale Klavierstücke Neuwirths – das großartig klangsinnliche „Incidendo – Fluido“ und das virtuos witzige „Trurl-Tichy-Tinkle“ – hat Marino Formenti etwa Lachenmann, Schubert und Ligeti gespielt, als wären sie Zeitgenossen, die sich mit Satie, Murail und Purcell bestens verstehen. Mit tiefernstem Ausdruck prä- und ent-präparierte Formenti immer wieder einmal den Steinway, unter den er sich einmal mit Würde auch drunter verfügte. Immer wieder witzig: John Cages „TV Köln“, in dem so lange Gegenstände in den Flügel geworfen werden, bis klar wird, dass dadurch das rauschende Fernsehbild auf dem altmodischen Gerät daneben, nur unwesentlich anders wird… Eine wunderbare Stunde, die noch viel länger hätte dauern können, und die in Erinnerung bleiben wird.

Die Aspekte 2018 – bis Sonntag (29.4.) – aspekte-salzburg.com
Bilder: Aspekte/Kirchner

 

 

DrehPunktKultur - Die Salzburger Kulturzeitung im Internet ©2014