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In Erwartung der Erwartung

DIALOGE / ERWARTUNG

24/11/17 Mit einem großen Werk der klassischen Moderne werden am Donnerstag (30.11.) die Dialoge eröffnet – mit Arnold Schönbergs Monodram „Erwartung“. Unter Johannes Kalitzke spielt das Österreichische Ensemble für Neue Musik in großer Kammer-Besetzung. Anschließend folgen „My Live Without Me“ als Komposition von Miroslav Srnka und als Film von Isabel Coixet.

Von Heidemarie Klabacher

„Eine Frau wartet am Waldrand im Mondlicht auf ihren Geliebten, begibt sich in den Wald, um ihn zu suchen. Dort hört sie ein Weinen, kann aber niemand sehen; sie fühlt sich von unsichtbaren Gestalten festgehalten. Geräusche machen ihr noch mehr Angst, sie beginnt zu laufen und stolpert über einen Baumstumpf. Auf einer Lichtung glaubt sie, die Stimme des Geliebten zu vernehmen – doch wieder scheint sie einer Täuschung erlegen. Panik erfasst sie. Erschöpft und verletzt will sie am Waldrand ausruhen, ausgerechnet in der Nähe des Hauses der Rivalin. Als sie auf einer Bank niedersinkt, stößt ihr Fuß an etwas Weiches: Es ist der Geliebte – blutig, tot.“ So abgründig, wie ein Schweden-Psycho-Krimi der blutigeren Sorte, ist eines der großen Werke der klassischen Moderne.

Walter Weidringer im Programmbuch der „Dialoge“ bringt es, wie immer in seinen erhellenden Texten, auf den Punkt: „Wer Arnold Schönbergs Monodram ‚Erwartung‘ miterlebt, der wird kaum auf den Gedanken kommen, die Idee zu diesem Werk wäre in einer sommerlichen Urlaubsidylle entstanden. Und doch: Im August 1909, als die Familie Schönberg mit Alexander von Zemlinsky, Alban Berg, Anton Webern und Max Oppenheimer in Steinakirchen in Niederösterreich Ferien machte, führten Karl Kraus und Zemlinsky eine 27-jährige angehende Ärztin in den Kreis ein, die unter Pseudonym vier Gedichte in der ‚Fackel‘ publiziert hatte: Marie Pappenheim, verh. Frischauf (1882-1966).“

Ihr bewegtes Leben wäre, so Weidringer, selbst eines Librettos würdig: „Als eine der ersten Medizinstudentinnen und Dermatologinnen Österreichs gründete sie mit Wilhelm Reich 1928 die ‚Sozialistische Gesellschaft für Sexualberatung und Sexualforschung‘ und trat skandalöserweise für das Recht auf Abtreibung ein. Während des Austrofaschismus war sie wegen ihrer KPÖ-Mitgliedschaft kurzzeitig inhaftiert, konnte aber dann nach Paris emigrieren, wo sie als Ärztin arbeitete, und später via Südfrankreich vor den Nazis nach Mexiko fliehen. 1947 kehrte sie nach Österreich zurück.“

Marie Pappenheim-Frischauf hatte kurz zuvor promoviert, als sie im Sommer 1909 zu der illustren Runde stieß. Die praktisch gesonnene junge Frau wollte zwar „nicht als Lyrikerin durchs Leben wandern“, der „Urlauber Schönberg“ bat sie dennoch: „Schreiben Sie mir doch einen Operntext, Fräulein!“ Inhaltlich habe der Komponist ihr freie Hand gelassen: „Ich bekam weder einen Hinweis noch eine Angabe, was ich schreiben sollte (hätte ihn auch nicht angenommen)“, erklärte die Schriftstellerin vierzig Jahre später.

Der Rest ist Musikgeschichte: „Innerhalb von drei Wochen schuf Marie Pappenheim das Libretto zur ‚Erwartung‘: ‚Ich schrieb im Gras liegend mit Bleistift auf großen Bogen Papier, hatte keine Kopie, las das Geschriebene kaum durch‘.“

Die Komposition ging ähnlich rasch voran, schildert Walter Weidringer im Programmbuch: „Schon im Textmanuskript notierte Schönberg einige musikalische Ideen, das Particell entstand in erster Niederschrift in den 17 Tagen vom 27. August bis zum 12. September 1909 – und vielleicht hat Schönbergs Faible für Zahlensymbolik dazu geführt, dem Werk die Opuszahl 17 zuzuteilen. Die Partitur-Reinschrift war am 4. Oktober abgeschlossen.“

Schönbergs große Orchesterbesetzung erwies sich schon bei den Planungen zur Uraufführung ab 1910 als Hemmschuh; erst 1924 konnte Zemlinsky das Werk vorstellen. 2004 hat Faradsch Karaew eine Version für Kammerorchester vorgelegt, die in diesem Konzert zu hören ist.“ Es spielen, singen und rezitieren das oenm unter Johannes Kalitzke, Laura Aikin und Marie-Luise Stockinger.

Dialoge – Eröffnung am Donnerstag 30. November um 19.30 im Großen Saal des Mozarteums - www.mozarteum.at
Bilder: ISM/Fabrizia Costa (1); Alexander Basta (1)


 

 

 

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