Humor und Spielerei statt Dogmatik
IM PORTRÄT / WOLFGANG BRUNNER, SALZBURGER HOFMUSIK
13/09/17 Die von ihm 1992 gegründete „Salzburger Hofmusik“ habe bisher „allem wirtschaftlichen und geistigen Schwund bürgerlicher Konzertkultur erfolgreich widerstanden“, sagt Wolfgang Brunner mit der ihm eigenen Ironie. Also steht das 25-Jahre-Jubiläum an.
Von Reinhard Kriechbaum
Es wäre nicht Wolfgang Brunner, hätte er nicht auch heuer mit einer Raritäten-CD zugeschlagen: Georg Philipp Telemanns Ouevre für exquisite Instrumente wie Chalumeau oder dem Salterio sind weitgehend unbekannte Leckerbissen aus dem großem Schaffen des vor 350 Jahren geborenen Komponisten. Der Bach-Sohn Carl Philipp Emanuel war Nachfolger Telemanns als Kantor an den Hamburger Hauptkirchen. Auch seine Quartette mit den jeweiligen solistisch hervortretenden Instrumenten Klavier, Flöte oder Bratsche liegen in einer Aufnahme neueren Datums vor. Und die allerneueste CD gilt den Freimaurermusiken Mozarts.
Wolfgang Brunner, ein Spezialist für Hammerklavier und andere alte Tatsteninstrumente, ist also Gründer und Leiter der „Salzburger Hofmusik“. Hofmusik war einst die volkstümliche Bezeichnung für die fürsterzbischöfliche Hofkapelle.
1992 war der Originalklang in Salzburg noch nicht so gängig wie heute. „Im Sinne einer möglichst authentischen Darbietung spielt das Ensemble hauptsächlich – aber nicht ausschließlich – auf historischen Instrumenten oder originalgetreuen Kopien“, erklärt Wolfgang Brunner. Grundsätzlich habe er durchaus Vorbehalte gegen „alte“ Musik: „Die barocken Zuhörer können wir eh nicht ausgraben.“ Was ihn reizt: „Die Beschäftigung mit ferneren, auch exotischen Klängen und Lebenserfahrungen, schriftlich erhalten in Noten und Quellen zur Aufführungspraxis: Das dient mir als willkommene Supervision der eigenen Sichtweise.“
Das Ensemble ist im Lauf eines Vierteljahrhunderts weit herum gekommen: Es hat bei den angesehenen Festivals für Alte Musik in Brügge, Utrecht und Herne gespielt, ist bei der Mozartwoche ebenso aufgetreten wie beim Kissinger Sommer und hat Konzerte in Tschechien, Slowenien, Italien, Spanien, Russland, der Türkei und in Israel gegeben.
Die Hofmusik spielte und spielt in variablen Besetzungen vom Trio bis zum Orchester. Die Programme umfassen hauptsächlich Werke vom 17. bis ins frühe 19. Jahrhundert, wobei die Musik der Hofkapelle unter den Salzburger Fürsterzbischöfen einen Schwerpunkt des Repertoires bildet. Gleichzeitig werden Programme erarbeitet, die Salzburgs Einbettung in die Musikgeschichte der österreichischen und der europäischen Kulturtradition aufzeigen.
„Erfreulich ist, dass durch Institutionen wie Michael Haydn Gesellschaft oder Universität Mozarteum der lokale Marktplatz reicher geworden ist“, sagt Brunner. Die Bachgesellschaft ist älter als die Hofmusik. In der deutlich belebten lokalen Szene ist die Salzburger Hofmusik gar nicht so gegenwärtig. Dafür auf dem CD-Markt! Rund sechzig Aufnahmen haben Brunner und die Seinen eingespielt, die meisten sind bei Profil/Edition Günter Hänssler und CPO erschienen.
Darunter sind ganz viele Erstaufnahmen Salzburger Komponisten aus Barock und Klassik, so etwa Heinrich Ignaz Franz Bibers Oper „Arminio“, die älteste erhaltene Salzburger Oper, oder Weihnachtsmusik vom Hof der Salzburger Fürsterzbischöfe. Johann Michael Haydns Pantomime „Der Traum“ wurde ebenso aufgenommen wie seine Oper „Der Bassgeiger von Wörgl“. Auch sämtliche Solokonzerte für Blech- und Holzblasinstrumente von Johann Michael Haydn liegen in Einspielungen durch die Salzburger Hofmusik vor. Brunner nahm mit seinem Ensemble auch Carl Philipp Emmanuel Bachs Oratorium „Die Israeliten in der Wüste“ auf und veröffentliche mit „Farinelli – The Composer“ ein besonderes musikalisches Schmuckstück, das den berühmtesten Kastraten der Musikgeschichte als geschickten Komponisten porträtiert.
Natürlich findet sich auf der ellenlangen Liste von Einspielungen auch viel Mozart. Viel weniger wahrgenommen als die CD-Veröffentlichungen „Beethoven und die Volksmusik“ oder „Schubert und die Volksmusik“ wird die gemeinsam mit dem Ensemble Tobias Reiser realisierte Gesamteinspielung sämtlicher Instrumentalwerke des kroatischen Komponisten Luka Sorkočević. Dieser lebte von 1734 bis 1789 und wirkte in Dubrovnik.
„Allergisch bin ich gegen viele Moden und Dogmen der Alten Musik“, sagt Wolfgang Brunner, für den immer auch das Spielerische und der Humor, der Musizier-Spaß wichtig sind. „So erklärt sich auch das Spektrum der Hofmusik, das neben 'seriöser' Konzertpraxis auch Tanz- und Volksmusik auch anderes Crossover mit einbezieht.“ Brunner nennt Programme wie „Club baroque“ oder „Let it Be-Valdi“: „Weil das letztlich ein sehr barock verspielter Zugang ist, der vor Improvisation nicht zurückschreckt, gleich ob im Stil des 17. oder 18. Jahrhunderts oder mit jazzigen Elementen.“