Flaschen, mit Champagner gefüllt
UNIVERSITÄT MOZARTEUM / BAROCKNACHT
26/06/17 Ein „bisschen gewühlt“ habe er, sagt Reinhard Goebel mit dem ihm eigenen Understatement. Wo genau er wühlte, hat er in der Barocknacht der Universität Mozarteum nicht verraten, aber der Titel des Blockflötenkonzerts macht es eh klar: Als „Harrach-Konzert“ haben es Dorothee Oberlinger und Reinhard Goebel schon auf CD eingespielt.
Von Reinhard Kriechbaum
In der Privatsammlung der Familie Harrach fand sich das Manuskript. Es sei sofort eine Echtheitsdebatte losgegangen, so Goebel: „Die, die's nicht gefunden haben, waren der Meinung, es sei nicht von Telemann...“ – Egal, Hauptsache feine Musik, im pizzikato-begleiteten langsamen Satz vor allem, wo die Blockflöte immer wieder neue Wendungen und Winkelzüge provoziert. Das steht so so in den Noten und Dorothee Oberlinger hat erfindungsreich mit raffinierter Verzierungskunst den kleinen Überraschungen nachgeholfen.
Es war der Abschluss der „Barocknacht“, der gut eingeführten Leistungsschau des Departments für Alte Musik an der Universität Mozarteum. Wenn man's ganz genau nimmt: Reinhard Goebel, der diesen sechseinhalbstündigen Marathon konzipiert und weder unlaunig noch uneitel moderiert hat, brachte dazu auch ganz tolle Studenten aus Köln mit, wo er auch unterrichtet. So haben diese vielen Konzertstunden letztlich weniger über den Stand der Dinge in Salzburg ausgesagt als darüber, auf welch fulminantem Niveau die Musikausbildung in Sachen Alter Musik überhaupt steht und gegen welche Konkurrenz sie sich behaupten muss. Da durfte man Stück um Stück (derer waren viele) nur staunen.
Eigentlich mutig, in sechs jeweils fast einstündigen Programmblöcken ausschließlich Telemann zu spielen. Bachs Musik täte das auch verkraften, jene von Händel vielleicht schon nicht. Er war also ein wirklich guter Komponist, dieser Telemann. Absolut nicht der Langweiler, als der manchen leider bis heute gilt. Eines der Konzerte, die man am Freitag (23.6.) im Solitär hören konnte, war jenes Concerto „a sei“ für zwei Violinen solo, Streicher und Basso continuo, dessen Noten einst Bach und Pisendel eigenhändig abgeschrieben haben. Die beiden wussten, wofür man sinnvollerweise Zeit aufwendet.
Hörend und den sehr eigenständigen Einführungstext im Programmheft lesend hat man viel dazulernen können. Zum Beispiel, wie experimentell Telemann Gattungen und Besetzungen durchmischt hat. Was „Konzert“ heißt, ist nicht selten ein verkapptes Concerto grosso und als solches auch pikant durchgearbeitete Kammermusik. Und selbst bescheidenere Musik – etwa die Sammlung „Der getreue Musikmeister“ – ist ja nur auf den ersten Blick damaligen Amateuren in die Finger geschrieben. Auch die „schulmeisterlichen Werke Telemanns sind fordernd und gewinnen bei wirklich professioneller Interpretation. Dazu ist Goebel einen netter Satz eingefallen: „Telemanns Musik darf auch von Flaschen gespielt werden, vorausgesetzt sie sind mit Champagner gefüllt!“
Perlendes Gesöff, prickelnd. Danach brauchte man in der Kollegienkirche nicht zu suchen: Als die vier Geiger aus Goebels Kölner Elite-geschmiedetem „Echo di Rheno“ ohne Continuo antraten, durfte man ehrlich staunen ob der technischen Brillanz und dem zugespitzten Zusammenspiel. Hoch interessant aber auch, wie Telemann Gamben (die damals noch nicht so out waren, wie man manchmal meint) für den „empfindsamen Stil“ dienstbar machte und mit der Traversflöte dialogisieren ließ.
Gleich zwei Mal (und auf letztlich fünf Sängerinnen aufgeteilt) war die Kantate „Sey tausendmal willkommen“ zu hören. Telemann hat sie 1730 zur 200. Wiederkehr der Augsburger Konfession geschrieben. Das Stück hat auch heuer, im Reformations-Jubiläumsjahr, Hochkonjunktur.