Ein guter Hirte für die barocken Schafe
BACHGESELLSCHAFT / ABENDMUSIK
08/05/17 Wer hätte vor mehr als vier Jahrzehnten, bei der Gründung der Salzburger Bachgesellschaft, gedacht, dass man für die Konzerte die Alt-Klang-kundige Personnage dereinst nicht erst aus allen Himmelsrichtungen zusammentrommeln werde müssen, sondern sie griffbereit vor Ort auf Auftrittsmöglichkeiten harren?
Von Reinhard Kriechbaum
Damals, in den Ur-Zeiten der Barock-„Pflege“ (die Assoziation mit „Pflegefall“ stellte sich nicht zufällig fallweise ein) galt Harnoncourt als so etwas wie der Outlaw am Mozarteum: Professor zwar, und Insidertipp unter den wacheren Studierenden sowieso, aber mehr als argwöhnisch angeschaut von manchen Kollegen. Heute ist das ganz anders. Das „Institut für Alte Musik“ an Salzburgs Musikuniversität ist bestens etabliert und bestückt mit einer Professoren-Crew, die sich nicht zu verstecken braucht in der einschlägigen Szene. Das Institut für Alte Musik mit seiner internationalen Studentenschaft ist auch längst in der Lage, ein tüchtiges Originalklangorchester auf die Beine zu stellen. Und vor allem hat man namhafte Lehrende, die nicht nur Handwerk, sondern auch den nötigen „Spirit“ vermittelt.
Solche Dinge sind einem also durch den Kopf gegangen am Freitag (5.5.) in der Müllner Pfarrkirche, als zum Beispiel gleich vier Barockoboistinnen und -oboisten zur Verfügung standen, um Händels Concerto grosso B-Dur op. 3 Nr. 2 eine leuchtkräftige Klangkrone aufzusetzen. Ganz wunderbar das Oboensolo im langsamen Satz der sonst mit Suitensätzen einhertänzelnden Konzertmusik. Auch in den beiden Bach-Kantaten („Am Abend desselbigen Sabbats“ BWV 42 und „Ich bin ein guter Hirt“ BWV 85) waren die Oboen gut beschäftigt, da freilich jeweils nur ihrer zwei.
Dafür, dass die Oboen-Helligkeit auch eine feste Erdung erhielten, stand Marco Testori. Das Dirigieren ist ja sein Hauptamt nicht, er führt seit diesem Studienjahr eine Violoncvelloklasse bei den Alt-Tönern. Wenn Tenor und Sopran mahnen „Verzaget nicht!“, dann bekommt man unter der Anleitung dieses stilkundigen Tiefen-Spezialisten mehr als deutlich mit, wie Fagott, Cello und Kontrabass mit nachdrücklich-unheilvollem Gebrumm gefährlich zu drohen wissen. Es geht aber auch charmant: Die Kantate „Ich bin ein guter Hirt“ verlangt in einer Alt-Arie ein Violoncello piccolo, das fünf Saiten hat und feine Akkordzerlegungen zum Gesang beisteuerte. Marco Testori war den barocken Schafen ein so guter wie temperamentvoller, suggestiv die Rhetorik befeuernder Hirte.
Weil es unterdessen ja am Mozarteum generell viel positive Stimmung für den Originalklang gibt, kann man auch für Bach eine Sängergruppe sehr gezielt auswählen aus dem Pool an Studierenden: Electra Lochhead und Elizaveta Bekolon (Sopran), Katrin Heles (Alt), Jasper Sung (Tenor) und Daniel Weiler (Bass) – da war jede und jeder genau den individuellen Stärken nach gut besetzt.