Im Herzen Himmelshoffnungsglück
UNI MOZARTEUM / DAS PARADIES UND DIE PERI
24/11/16 Sie wissen nicht, was eine Peri ist? Sparen Sie sich das Googeln, es kommt nur eine global bekannte Gerüstbaufirma. Selbst auf Wikipedia ist jenes dünnhäutige Flügelwesen mit Paradies-Gelüsten unbekannt, dem Robert Schumann ein Oratorium gewidmet hat: „Das Paradies und die Peri“
Von Reinhard Kriechbaum
Nikolaus Harnoncourt hat es vor Jahren bei der Styriarte in Graz aufgeführt und damals erklärt, warum das eigentlich famose Werk heutzutage so gar nicht mehr zieht: Schumann durfte am Höhepunkt der Romantik mit einem Bildungsbürgertum als Hörerschaft rechnen. Es war mit Mythen und Legenden vertraut, die längst nicht mehr zum Bildungskanon gehören. Die vorderorientalische Peri, ein gefallener Engel: längst aus dem Lehrplan gestrichen!
An der Musik liegt's nicht. Das Werk, mit dem der 33jährige Rubert Schumann Furore machte, ist eingängig und wirkungsvoll. Und was den Text angeht: In einer Zeit, da Menschen aus dem Zweistromland in Mitteleuropa zum Straßenbild gehören, wäre es ganz sinnvoll, würden Konzertveranstalter auf diesem Werk insistieren. Hat alles etwas mit (sogar gemeinsamer) Kulturgeschichte zu tun.
Die Peri also trägt „im Herzen Himmelshoffnungsglück“, wie es im Text einmal so schön heißt. Die Himmlischen wollen aber ein ihnen wohlgefälliges Geschenk, bevor sie ihr Einlass gewähren. Wenn die Peri mit einem gefallenen Freiheitskämpfer vor der Tür steht, ist das zwar für allerlei martialische Musik gut, aber nicht als Eintrittsgabe. Auch eine junge Dame, die sich an ihren an Pest erkrankten Liebsten schmiegt und selbst zu Tode kommt – ein Liebesopfer also – taugt nicht. Dann aber: ein reuiger Sünder, der angesichts eines Kindes zur Räson gekommen ist. Der ist wohl gelitten. Da schließt sich ein himmlischer Freuden- und Jubelgesang an, der in der Literatur seinesgleichen sucht.
Eine gute Idee, „Das Paradies und die Peri“ mit den Allerbesten aus den Gesangsklassen zu realisieren, das Sinfonieorchester der Universität Mozarteum zu beschäftigen (dessen Bläser in Holz und Blech an dem Abend famoses leisteten), den nicht unheiklen Chorpart aber dem Münchener Bach-Chor und die Gesamtleitung Hansjörg Albrecht anzuvertrauen. Er ist ein offener, moderner Klangredner. Schumanns Lyrik hat er quasi im kleinen Finger. Eine Referenzaufführung war garantiert.
Die Peri war gleich vierfach gesplittet, auch Tenor- und Bariton-Partien auf mehrere Sänger verteilt, so dass am Mittwoch im Großen Saal des Mozarteums in Summe zwanzig Solistinnen und Solisten auf dem Podium nicht wenig Gedränge verursachten. Hervorzuheben ist, wie ebenmäßig und akkurat diese Aufführung einstudiert war, offenbar auch mit sehr genauen Ohren, welche Abschnitte welchen Vokalisten am besten liegen. Das Werk hält eine ganze Reihe von Quartetten und Ensembles bereit. Es ist auffallend, dass unterdessen in den Gesangsklassen mehr Aufgeschlossenheit zum Ensemblesingen zu herrschen scheint als noch vor zwanzig, dreißig Jahren. Wir nennen hier aus der Überfülle keine Namen, heben niemanden über Gebühr hervor: Es war jedenfalls ein für den Großteil der Zuhörer vermutlich bis dato unbekanntes Werk neu zu entdecken, mit einem einsatzfrohen Team, mit flexiblen Sängerinnen und Sängern, die sich immer auch als teil eines Ganzen verstanden. Was könnte man mehr wollen?