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Unterhaltung mit ernstem Finale

WIENER SAAL / KLAVIERDUO JUSSEN

11/04/18 Sie würden tatsächlich in jeder Boygroup beste Figur machen, die niederländischen Klavier-Brüder Lucas & Arthur Jussen, 25 und 22 Jahre jung und schon mit internationalen Lorbeeren bekränzt. Aber sie sind nicht nur „fesche Jungs“, sondern auch tolle Musiker, wie ein Abend im Wiener Saal (10.4.) bewies.

Von Gottfried Franz Kasparek

Meist treten sie vierhändig auf, doch ist jeder für sich auch ein brillanter Pianist. So spielte Arthur akkurat perlende Duport-Variationen von Mozart und Lucas eine gefühlvolle Ravel-Sonatine. Begonnen hatte das abwechslungsreiche und mehrheitlich auf höchstem Niveau unterhaltsame Konzert mit Mozarts vierhändiger D-Dur-Sonate, kraftvoll und mit Leuchtkraft gespielt. Wunderbar, wie die Brüder die schnellen Ecksätze geradezu zum Swingen bringen und dennoch klassisches Maß halten. Letzteres bestimmte auch Franz Schuberts abgründige f-Moll-Fantasie. Da war alles ohne Fehl und Tadel aus dem Steinway gemeißelt, aber da fehlte doch noch oft die Tiefe des Ausdrucks, der Mut zum Verharren, das Aussingen von Phrasen. Das Geheimnis dieser Musik muss sich den beiden noch erschließen – phasenweise sind sie auf dem besten Weg dazu.

Nach der Pause dann: zunächst reinstes Vergnügen! Francis Poulencs konzise Sonate zu vier Händen, der Geniestreich eines 19jährigen, erklang aufs Feinste austariert zwischen glitzernder Kühle à la Strawinsky, schrägem Humor à la Satie und leisem Esprit à la Chabrier. Dann das Ravel-Solo und schließlich „Ma Mère l’Oye“, die Kindermärchenstücke von Maurice Ravel in der originalen vierhändigen Version. Lieblicher kann Dornröschen nicht im Walde schlafen, skurriler kann der kleine Däumling nicht herumirren, pikanter kann die Pagodenprinzessin nicht tanzen, brummiger das Biest nicht die Schöne umgirren und sensibler nicht erlöst werden, farbenfroher kann ein Garten der Feen nicht tönen als in der feinnervigen, nuancierten, hoch sensiblen Interpretation der Brüder Jussen.

Am Ende aber wurde es ernst. Sehr ernst. Fazil Say hat den jungen Kollegen 2016 ein Stück in die virtuosen Finger geschrieben. „Night“ heißt es und beginnt mit zündenden orientalischen Rhythmen. Da scheint sich ein Fest der Lebenslust abzuzeichnen, aber dann greifen die Brüder nicht bloß in die Tasten, sondern auch in die Saiten, hämmernd und knallend. Wie Maschinengewehrsalven kracht es aus dem Flügel. Denn diese Nacht ist eine besonders gefährliche in Istanbul, mehr will Fazil Say dazu nicht sagen. Dazu erzählen die Brüder in charmantem Deutsch ihr persönliches Erlebnis damit. Sie spielten es in der Niederländischen Botschaft in Istanbul. Sie wollten es öffentlich in Ankara spielen. Es wurde ihnen verboten. Sie spielten es dennoch – als angesagte Zugabe und Zeichen für die Freiheit. Standing Ovations des türkischen Publikums. Ovationen auch in Salzburg, belohnt mit einem Reigen wahnwitziger „Akazi-Stückerln“ und gemessen barockem Ende. Auf baldiges Wiedersehen und Wiederhören, Jungs!

Bilder: arthurandlucasjussen.com / Marco Borggreve

 

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